US-Wahlkampf: Feuern auf allen Kanälen
18. Februar 2016Jeb Bush hat nicht das glücklichste Händchen, wenn es um Waffen geht. Nach einem Massaker an einem College in Oregon im Oktober 2015 sagte er bei einer Veranstaltung lapidar: "Dinge passieren." Die Notwendigkeit, Waffengesetze in dem Land zu verschärfen, in dem geschätzte 300 Millionen Waffen in Privatbesitz und Nachrichten über Massenschießereien fast alltäglich sind, sieht er nicht. Und nun teilt Bush auf Twitter ein Bild einer Waffe, in die sein Name graviert ist, mit nur einem Wort darunter: "America." Der Tweet wurde tausendfach geteilt. Allerdings nicht nur mit freundlichen Kommentaren, die typischen Internet-Spötter veröffentlichten schnell Bilder mit anderen, typischen Amerika-Stereotypen.
Das Bild twitterte der republikanische Präsidentschaftsbewerber vor einem Besuch einer Produktionsstätte eines Waffenherstellers in South Carolina. Ein plumper Versuch, sich mit der Waffenlobby und ihren Unterstützern gut zu stellen und Punkte bei der nächsten Vorwahl am Samstag in South Carolina zu sammeln.
Jeder Republikaner muss für Waffenbesitz sein
Tatsächlich wird es kein konservativer Kandidat im Rennen um das Weiße Haus wagen, sich jemals gegen das in der Verfassung festgeschriebene Recht der Bürger auf eine eigene Waffe zu stellen. Zu wichtig sind die Wähler, die die Freiheit, eine Waffe zu tragen, über alles stellen. Nicht wenige machen das zur Hauptargument, wen sie wählen - oder eben auch nicht. Die mächtigste Waffenlobby im Land, die National Rifle Association (NRA), beherrscht die gesellschaftliche und politische Debatte über dieses emotionale Thema seit Jahrzehnten.
Dabei vergibt die NRA nicht nur Schulnoten für Politiker im Hinblick auf ihre Einstellung zu Waffengesetzen, sie pumpt sehr viel Geld in die Kampagnen konservativer Politiker, um sicherzustellen, dass eine Verschärfung der Waffengesetze ausgeschlossen ist. Denn die könnten die Einnahmen der Hersteller mindern.
Kaum ein Thema spaltet die USA mehr als Waffen - und keines wird kontroverser diskutiert. Der ideologische Graben verläuft dabei eng an politischen Grenzen. Konservative rechtfertigen laxe Waffengesetze, die Demokraten befürworten Restriktionen. Das grundsätzliche Recht, ein Gewehr oder eine Pistole zu besitzen, würden aber auch sie nie in Zweifel ziehen.
Teil der amerikanischen Identität
Das liegt zum einen an einem Urteil des Supreme Court aus dem Jahr 2010. In "District of Columbia v. Heller" entschied das oberste Gericht, dass der Zweite Zusatz der Verfassung das Recht jedes einzelnen Bürgers schützt, eine Handfeuerwaffe zu besitzen. Neben diesem Grundsatzurteil sind Waffen vor allem Teil der amerikanischen Geschichte und Identität. Die Waffe ist ein Stück der "last frontier", der letzten Grenzen, die die Amerikaner beim Aufbau ihrer Gesellschaft eingerissen haben. Der Waffenbesitz ist außerdem Ausdruck einer individuellen Freiheit des Einzelnen, den sich viele nicht nehmen lassen wollen. Der Eingriff des Staates ins Private soll möglichst gering sein. Waffen sind für viele Sammlerstücke, Hobby und Verteidigungsinstrument.
Rationale Argumente greifen in dieser Debatte nicht. Selbst nach Amokläufen scheitern Versuche, Gesetze zu verschärfen, regelmäßig am Widerstand der Republikaner. Die fürchten um ihre Wählerstimmen in der konservativen Basis. Denn die NRA schafft es selbst nach Bildern von toten Kindern, die immergleiche Erzählung zu platzieren: Jede Verschärfung eines Gesetzes ist ein Schritt, um dem aufrechten Bürger seine Gewehre und Revolver wegzunehmen. Und wenn der gute Amerikaner keine Waffe mehr hat, kann er die "bad guys", die Bösen, auch nicht an Verbrechen hindern. So simpel, so effektiv.
Nach jeder Schießerei werden mehr Waffen gefordert
Nach jeder Schießerei erhebt sich die Stimme derer, die behaupten, hätte nur jemand eine Waffe gehabt, hätte der Amoklauf verhindert werden können. Aus dieser Argumentation heraus beginnen immer mehr Schulen, ihre Lehrer zu bewaffnen, ein Schritt der Angst. Gewalt und Waffen wird mit noch mehr Waffen begegnet.
Es ist eine Realität, dass die Millionen Waffen im Land im Umlauf bleiben und illegaler Handel von strikteren Gesetzen nicht betroffen ist. Es ist aber auch eine Realität, dass Hintergrundchecks vor Waffenkäufen oder striktere Regelungen für Waffenmessen, auf denen die Pistolen und Gewehre gegen Bargeld ohne Beleg und ohne Fragen verkauft werden, niemanden das Grundrecht nehmen, eine Waffe zu besitzen. Besitz, Verkauf und Umlauf besser zu kontrollieren, scheint im Angesicht von mehr als 13.000 Menschen, die allein im vergangenen Jahr durch Waffengewalt starben, ein einleuchtender Schritt.
Präsident Barack Obama hat erst im Januar per präsidialem Erlass auf die grassierende Waffengewalt reagiert. Er will Schlupflöcher bei Verkäufen schließen und Geld investieren, um die Einhaltung der Gesetze zu kontrollieren. Die demokratischen Präsidentschaftsbewerber Hillary Clinton und Bernie Sanders begrüßten diesen Schritt - Clinton kündigte sogar an, noch weitergehen zu wollen, sollte sie Präsidentin werden. Die Republikaner hingegen kritisierten Obamas Vorstoß. Egal, welchem Kandidaten man bei einer Wahlveranstaltung zuhört, sie alle kommen unweigerlich an den Punkt, an dem sie ankündigen, alle Maßnahmen Obamas zurücknehmen und den Zweiten Zusatz der Verfassung ehren zu wollen. Der Applaus ist meist lauter als bei jedem anderen Thema. Und genau darauf dürfte Jeb Bush gehofft haben, als er seinen Waffen-Tweet abfeuerte.