Die unterschätzte Gefahr
28. September 2014Syrien sei zu einer Art "Ground Zero" für Dschihadisten aus der ganzen Welt geworden, sagte Obama in einem CBS-Fernsehinterview. Die Extremisten hätten sich das Bürgerkriegs-Chaos stärker zu Nutzen gemacht als erwartet. Die amerikanischen Geheimdienste haben nach den Worten Obamas die potenzielle Gefahr der Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS) in Syrien unterschätzt. Die Extremisten hätten sich das Chaos im syrischen Bürgerkrieg stärker zu nutzen gemacht als erwartet. Zugleich hätten die Geheimdienste die Schlagkraft der irakischen Armee im Kampf gegen die vorrückenden Dschihadisten überschätzt, sagte Obama unter Verweis auf Äußerungen des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste, James Clapper. In der "Washington Post" räumte Clapper ein, er hätte nie gedacht, dass sich die irakischen Sicherheitskräfte den vorrückenden Dschihadisten im Norden des Golfstaats so schnell geschlagen geben und die Flucht ergreifen würden.
Ein al-Nusra-Sprecher hat derweil die US-geführten Luftangriffe auf die Dschihadisten als "Krieg gegen den Islam" bezeichnet. Die Angreifer-Staaten hätten schreckliche Taten begangen, die sie zu dschihadistischen Zielen in aller Welt machten, heißt es im Internet weiter. Die Al-Nusra-Front ist ein syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida.
Seit Anfang August fliegt die US-Luftwaffe Angriffe auf Islamisten-Milizen im Irak. Seit dieser Woche haben US-Kampfflugzeuge ihre Luftschläge auch auf Gebiete in Syrien ausgeweitet und neben der IS-Terrormiliz auch die Al-Nusra-Front und die Extremistengruppe Chorasan ins Visier genommen. Dabei wurde offenbar der mutmaßliche Chorasan-Anführer Muhsin al-Fadhli getötet.
Bündnis gegen den IS
Unterstützung erhalten die US-Einheiten von Jordanien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Irak kann Washington dabei auch auf eine immer breitere Unterstützung von europäischen Partnern zählen. Dazu gehören mittlerweile Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Belgien und die Niederlande. Deutschland schließt eine direkte Kriegsbeteiligung aus und beschränkt sich auf die Unterstützung der irakischen IS-Gegner. Dazu werden unter anderem Infanteriewaffen wie Gewehre und Panzerfäuste geliefert. Außerdem will Deutschland irakisch-kurdische Kämpfer im Umgang mit diesen Waffen und mit Minenräumgerät ausbilden.
Unklare Rolle der Türkei
Die Türkei schließt offenbar eine militärische Beteiligung am Kampf gegen die IS nicht mehr aus. So sprach der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Zeitung "Hürriyet" sogar von Bodentruppen in Syrien. Luftangriffe alleine reichten für eine dauerhafte Lösung im Anti-Terrorkampf nicht aus, sagte Erdogan. Die Türkei werde tun, was ihre Pflicht sei.
Außerdem macht sich der türkische Präsident für Puffer- und Flugverbots-Zonen entlang der 900 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze stark. Damit solle die Grenze gesichert und die in die Türkei flüchtenden Syrer geschützt werden. Sollte es dafür ein internationales Abkommen geben, könnte auch die Türkei ihren Beitrag leisten, so Erdogan weiter.
Bisher hat sich Ankara auf die humanitäre Hilfe und Versorgung der Flüchtlinge aus Syrien beschränkt. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprach am Freitag von mehr als 160.000 syrischen Flüchtlingen, die in seinem Land Schutz gefunden hätten.
Fälschte Ankara die Flüchtlingszahlen?
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gibt die Zahl der Flüchtlinge mit 144.000 an. Doch nun gibt es Zweifel an diesen Angaben. Nach Recherchen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), sind die Zahlen stark übertrieben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR habe sie ungeprüft von türkischen Stellen übernommen. Tatsächlich seien nur 15.000 bis 20.000 Menschen über die Grenze gekommen, zitierte das Blatt die Bürgermeisterin der türkischen Grenzstadt Suruc, Zühal Ekmez.
Laut FAS wird die Zahl aus politischen Gründen übertrieben. Die Regierung in Ankara wolle damit erreichen, dass die ihr unliebsamen autonomen Kurdengebiete in Syrien zu menschenleeren "Pufferzonen" erklärt werden.
Dagegen sagte UNHCR-Sprecherin Selin Unal der Deutschen Presse-Agentur, es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass die Größenordnung der türkischen Angaben falsch sei. Der Strom an Menschen, die in der Türkei Zuflucht suchten, sei nicht abgerissen. "Wir sind an der Grenze, wir beobachten das, so Unal weiter.
cw/qu (dpa, rtr, afp)