USA: Hohe Haftstrafen für weitere "Proud Boys"
2. September 2023Es ist die bislang höchste Strafe für ein Mitglied der "Proud Boys" nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington: Ein früherer Anführer der rechtsextremen "Stolzen Jungs" muss für seine Rolle beim gewaltsamen Eindringen in das Parlamentsgebäude der USA am 6. Januar 2021 für 18 Jahre in Haft.
Ethan Nordean war im Prozess von Ermittlern als Antreiber der Erstürmung bezeichnet worden. "Er ist der unbestrittene Anführer vor Ort am 6. Januar", sagte Staatsanwalt Jason McCullough. Richter Timothy Kelly vom Bundesbezirksgericht der US-Hauptstadt Washington verurteilte Nordean unter anderem wegen "aufrührerischer Verschwörung", einem seltenen Strafgrund, der aus der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs vor 160 Jahren stammt.
Laut Staatsanwaltschaft wurden Nordeans Worte und Online-Postings im Vorfeld des 6. Januar immer aggressiver. An diesem Tag führte er mit einem Megafon in der Hand eine Gruppe von fast 200 Leuten in Richtung Kapitol, war dann an der Spitze des Mobs und half, einen Zaun niederzureißen, sodass die Randalierer auf das Parlamentsgelände drängen und die Polizei attackieren konnten, so Gerichtsdokumente.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Strafe von 27 Jahren gefordert. Die Verteidiger argumentierten, dass es an diesem Tag keinen Plan zur Erstürmung des Kapitols gegeben habe, und wehrten sich gegen die Behauptung, dass Nordean den Zaun niedergerissen habe oder dass sich seine Rhetorik speziell auf den 6. Januar bezogen habe. Sie beantragten weniger als zwei Jahre Gefängnis.
"Komplette und totale Tragödie"
Der 33-Jährige selbst sagte vor Gericht, er betrachte den 6. Januar heute als eine "komplette und totale Tragödie" und bedauere, dass er nicht versucht habe, seine führende Rolle zu nutzen, um die Ereignisse zu verhindern. "Es gibt keine Kundgebung oder politischen Protest, der mehr Wert haben sollte als ein Menschenleben", sagte Nordean. "Es tut mir leid für jeden, dem ich direkt oder auch nur indirekt Unrecht getan habe."
Gegen Dominic Pezzola, einen weiteren gewalttätigen "Proud Boy", wurden am Freitag zehn Jahre Haft verhängt. Der heute 46-Jährige hatte mit dem Schutzschild eines Polizisten ein Fenster des Kapitols zertrümmert. Außerdem filmte er, mit Zigarre im Mund, ein "Jubelvideo" im Inneren des Gebäudes.
Die Geschworenen sprachen ihn jedoch von dem Vorwurf der aufrührerischen Verschwörung frei, da er sich erst kurz vor der Erstürmung den "Proud Boys" angeschlossen hatte. Er wurde wegen anderer schwerer Vorwürfe verurteilt. "Er war ein begeisterter Fußsoldat", sagte Staatsanwalt Erik Kenerson, der in seinem Plädoyer 20 Jahre Gefängnis gefordert hatte. Pezzola zeigte sich nach dem Urteil nicht reumütig, sondern hob trotzig die Faust und skandierte beim Verlassen des Gerichts: "Trump hat gewonnen!".
Weiteres Urteil am Dienstag erwartet
Bereits am Donnerstag waren zwei "Proud Boys" zu 17 Jahren und 15 Jahren Haft verurteilt worden. Für Dienstag ist zudem die Verkündung des Strafmaßes für den wichtigsten Anführer der rechten Gruppe, Enrique Tarrio, angesetzt. Er war bei dem Sturm auf das Kapitol vor zweieinhalb Jahren nicht persönlich dabei, weil ihm eine Reise nach Washington damals gerichtlich verboten worden war.
Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump hatten am 6. Januar 2021 den Sitz des US-Parlaments in Washington erstürmt. Dort war der Kongress, also die Mitglieder beider Parlamentskammern, zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede mit der Lüge aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden.
Bereits im Wahlkampf hatte Trump sich geweigert, die rechtsradikale Gruppe klar zu verurteilen. In einer Fernsehdebatte mit Biden sagte Trump: "Proud Boys - haltet euch zurück und haltet euch bereit."
Als Folge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben. Die Attacke auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land und machte weltweit Schlagzeilen. Insgesamt sind laut "New York Times" rund 1100 Verfahren gegen Teilnehmer des Protests eröffnet worden.
AR/se (dpa, rtr, ap)