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USA: Israel hat in Gaza möglicherweise Völkerrecht verletzt

11. Mai 2024

Die US-Regierung äußert scharfe Kritik an Israel. In einem Bericht des Außenministeriums heißt es, dass Israel mit Waffen aus den USA im Gazastreifen gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen haben könnte.

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Zerstörte Wohnhäuser im Flüchtlingslager Dschabalia im Gazastreifen nach israelischen Angriffen
Zerstörte Wohnhäuser im Flüchtlingslager Dschabalia im Gazastreifen nach israelischen Angriffen (Archivbild)Bild: STR/AFP

Das Außenministerium der USA habe von mehreren glaubwürdigen UN- und Nichtregierungsquellen Berichte über mögliche Menschenrechtsverletzungen durch israelische Streitkräfte erhalten, heißt es in dem Dokument. Da Israel in erheblichem Maße US-Verteidigungsgüter benötige, sei es eine plausible Einschätzung, dass das israelische Militär diese seit dem Terrorangriff der Hamas im Oktober in Fällen eingesetzt habe, die "mit den Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts oder den bewährten Praktiken zur Minderung ziviler Schäden unvereinbar" seien. Aufgrund der Situation in dem Kriegsgebiet sei es schwierig, einzelne Vorfälle zu bewerten oder abschließende Feststellungen zu treffen. "Es gibt jedoch genügend gemeldete Vorfälle, die Anlass zu ernsthaften Bedenken geben."

Präsident Joe Biden hatte im Februar unter dem Druck von Kritikern innerhalb seiner Demokratischen Partei angesichts der Situation der Zivilbevölkerung im Gazastreifen Empfängerländer amerikanischer Militärhilfe aufgefordert, binnen 45 Tagen glaubwürdige Zusicherungen zu geben, dass sie sich an internationales Recht halten.

Reichen die Zusicherungen aus?

Israel habe den USA Zusicherungen gegeben, heißt es in der öffentlichen Version des 46-seitigen Berichts, der dem Kongress mit Verspätung vorgelegt wurde. Israelische Beamte hätten erklärt, dass ihr Land das humanitäre Völkerrecht einhalte und sich verstärkt bemühe, den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten. Das Ministerium schreibt weiter, zwar hätten die israelischen Streitkräfte das Wissen, die Erfahrung und die Mittel, um Schäden zu minimieren. Die Ergebnisse vor Ort, darunter die hohe Zahl ziviler Opfer, ließen jedoch erhebliche Zweifel aufkommen, ob die Armee diese Mittel in allen Fällen effektiv einsetze.

Südafrika fordert erneut Maßnahmen gegen Israel

Wegen des israelischen Vormarsches in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen hat Südafrika erneut Sofortmaßnahmen gegen Israel beim Internationalen Gerichtshof (IGH) beantragt. Die Situation "infolge des israelischen Angriffs auf Rafah" verursache "neue Entwicklungen, die den Rechten des palästinensischen Volkes in Gaza irreparablen Schaden zufügen", führten die Vertreter Südafrikas nach einer Erklärung des IGH an.

Die Regierung in Pretoria fordert das Gericht laut Klageschrift dazu auf, Israel anzuweisen, dass es sich aus Rafah "unverzüglich zurückzieht und seine Militäroffensive einstellt" sowie "unverzüglich alle wirksamen Maßnahmen ergreift, um den ungehinderten Einlass" humanitärer Hilfe in den Gazastreifen "zu gewährleisten und zu erleichtern".

Eine Anhörung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zum Völkermord-Verfahren gegen Israel
Eine Anhörung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zum Völkermord-Verfahren gegen Israel im JanuarBild: Remko de Waal/ANP/AFP/Getty Images

Südafrika bittet das UN-Gericht bereits zum dritten Mal um zusätzliche Maßnahmen gegen Israel. Im Dezember hatte Südafrika vor dem IGH gegen Israel den Vorwurf eines Völkermords im Gazastreifen erhoben. In einer vorläufigen Entscheidung Ende Januar ordnete der IGH an, Israel müsse alles dafür tun, dass es dort nicht zu einem "Völkermord" komme. Israel bestreitet die Völkermordvorwürfe entschieden. Es beruft sich auf sein Recht auf Selbstverteidigung. Obwohl die Urteile des IGH rechtlich bindend sind, hat er kaum Möglichkeiten, sie durchzusetzen.

Biden droht mit Waffenlieferstopp

Zuletzt hatte US-Präsident Biden Israel im Falle einer Großoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens damit gedroht, manche Waffenlieferungen zu stoppen. Ungeachtet massiver internationaler Kritik hat die israelische Armee am Freitag nach eigenen Angaben ihre "präzise Anti-Terror-Operation" in einigen Teilen Rafahs fortgesetzt.

Palästinesische Binnenflüchtlinge aus Rafah treffen in Chan Junis ein
Palästinesische Binnenflüchtlinge aus Rafah treffen in Chan Junis einBild: picture alliance/dpa

In der Grenzstadt zu Ägypten haben mehr als eine Million Menschen Zuflucht vor den Kämpfen zwischen Israel und der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas gesucht. Nach UN-Angaben sind 150.000 Menschen geflohen, seit Israel die Bevölkerung im Osten der Stadt zur Evakuierung aufgerufen hat. Israel spricht sogar von 300.000 Menschen.

Weiterer Evakuierungsaufruf

Am Samstag forderte die Armee Bewohner von Rafah auf, weitere Gebiete im Osten sowie im Zentrum von Rafah zu verlassen. In einer Botschaft, die auf Arabisch über die Plattform X und in Form von Textnachrichten verbreitet wurde, nannten die Streitkräfte die betroffenen Zonen, darunter zwei Flüchtlingslager. Die Menschen in diesen Gebieten müssten sich sofort in die Ortschaft Al-Mawasi am Mittelmeer begeben. Erstmals betrifft eine israelische Räumungsanordnung in Rafah auch dicht bewohnte Teile der Stadt.

Hohe Qualmsäulen zeugen von israelischen Luftangriffen in der Nähe des Grenzübergangs Rafah am 7. Mai
Hohe Qualmsäulen zeugen von israelischen Luftangriffen in der Nähe des Grenzübergangs Rafah am 7. MaiBild: Abed Rahim Khatib/dpa/picture alliance

Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen hatten am 7. Oktober in Israel ein verheerendes Massaker vor allem an Zivilisten angerichtet und Israelis als Geiseln genommen. Seitdem führt Israel Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen.

Die hohe Zahl ziviler Opfer im Krieg und die humanitäre Katastrophe für die palästinensische Zivilbevölkerung haben international scharfe Kritik am Vorgehen Israels ausgelöst. Die USA als wichtigster Verbündeter Israels drängen die Regierung in Jerusalem schon länger dazu, den Schutz der Zivilbevölkerung zu verstärken und mehr humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen.

kle/jj/haz (afp, dpa, rtr)

Redaktionsschluss: 16.00 Uhr (MESZ). Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.