Streit über Gefangenenaustausch
5. Juni 2014Buck McKeon und James Inhofe, ranghöchste Republikaner in den Streitkräfte-Ausschüssen von Senat und Abgeordnetenhaus, begrüßten zwar in einer Erklärung die Befreiung Bergdahls. Gleichzeitig aber äußerten sie ihre Besorgnis, dass der Austausch zur Verschleppung weiterer US-Soldaten führen könne. Schließlich gebe es gute Gründe dafür, dass Amerika bisher nicht mit Terroristen verhandelt habe, schreiben die beiden Politiker in ihrem gemeinsamen Statement.
Stephen Biddle ist Sicherheitsexperte an der George Washington University. Biddle kann die Kritik der Opposition nicht nachvollziehen: "Die Taliban brauchen keine zusätzliche Motivation, um Geiseln zu nehmen", erklärte Biddle gegenüber der Deutschen Welle. "Sie lassen schon seit Jahren keine Gelegenheit aus, Amerikaner gefangen zu nehmen."
Angst vor Sicherheitsrisiko
Ein weiterer Kritikpunkt: Die freigelassenen Taliban könnten die Sicherheit der US-Truppen in Afghanistan bedrohen. Auch hier widerspricht Biddle. Die fünf Taliban seien wegen ihrer Verhaftung seit Jahren außer Gefecht gesetzt gewesen. Es sei unwahrscheinlich, dass sie die Bedrohungslage in Afghanistan wesentlich verändern würden. Die Obama-Regierung hat die freigelassenen Taliban in das Emirat Katar gebracht. Sie dürfen das Land ein Jahr lang nicht verlassen.
Allerdings habe die US-Regierung durch den Gefangenaustausch eines der wenigen Druckmittel für Verhandlungen mit den Taliban verloren, kritisiert Biddle. "Wir haben ausgerechnet die Gefangenen, die die Taliban am dringendsten wollten im Austausch gegen Bergdahl aufgegeben."
McKeon und Inhofe beklagen auch, dass der Kongress erst nach dem erfolgten Austausch informiert worden sei. Ein Gesetz schreibt vor, dass die zuständigen Ausschüsse jeweils mindestens 30 Tage vor einem Gefangenen-Transfer unterrichtet werden müssen. Allerdings hatte sich US-Präsident Barack Obama vor der Unterzeichnung des Gesetzes in einer Zusatzerklärung das Recht ausbedungen, den Kongress in Sonderfällen erst später zu informieren.
Vorwürfe gegen Bergdahl
Gleichzeitig gibt es Streit über die Umstände, die zu Bergdahls Gefangennahme führten. Ihm wird vorgeworfen, er habe seinen Posten in Afghanistan 2009 ohne Genehmigung verlassen. Damals war Bergdahl zwei Stunden südlich von Sharana, der Hauptstadt der Provinz Paktika, stationiert.
Nathan Bradley Bethea war im selben Bataillon und nahm an der Suche nach Bergdahl teil. "Bergdahl war ein Deserteur", schreibt Bethea in einem Artikel auf der Webseite Daily Beast. "Soldaten seiner Einheit sind beim Versuch ihn wiederzufinden gestorben." Bergdahl müsse menschlich behandelt werden, fordert Bethea, aber er müsse auch eine Erklärung für sein Verhalten liefern.
Haftstrafe wegen Desertion?
Auch eine Untersuchung des Pentagon kam 2010 zu dem Ergebnis, dass Bergdahl seinen Posten verlassen hatte, bevor er von den Taliban gekidnappt wurde. Eugene Fidell ist Militärrechtsexperte an der Yale Law School. "Ich weiß von niemanden, der Bergdahls Verhalten nicht als Desertion bezeichnen würde", sagte Fidell gegenüber der Deutschen Welle. Falls Bergdahl deswegen verurteilt werde, drohe ihm eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren.
Beobachter spekulieren, ob die Armee angesichts des Traumas von fünf Jahren Gefangenschaft in den Händen der Taliban noch gegen Bergdahl ermitteln wird. Fidell hält das für durchaus wahrscheinlich: "Man darf nicht vergessen, dass viele Mitglieder seiner alten Einheit Bergdahls Kopf fordern. Das kann die Regierung vermutlich nicht ignorieren."
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat Bergdahl in Schutz genommen. Es sei nicht fair zu spekulieren, bevor die Fakten auf dem Tisch liegen, sagte Hagel am Mittwoch (05.06.2014) in Brüssel. "Die Streitkräfte werden eine umfassende Untersuchung aller Umstände des Verschwindens von Unteroffizier Bergdahl durchführen." Zunächst gehe es aber darum, dass er sich nach fast fünfjähriger Geiselhaft erhole.