Verraten und verkauft
22. Mai 2007Die größten Gefahren, die von der Globalisierung ausgehen, sind die Vermarktung und die Privatisierung unseres Planeten. Das TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation WTO, das die "handelsbezogenen Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum" regelt, markierte 1996 einen Wendepunkt, indem es Lebensformen und biologische Vielfalt privatisierte.
Ethische Grenze beseitigt
Das Abkommen machte die Gesetze über geistiges Eigentum nicht nur im geographischen Sinn global, es beseitigte auch ethische Grenzen - dadurch, dass es die Patentierung von lebenden Organismen und von Biodiversität ermöglichte. Organismen und sich selbst reproduzierende Lebensformen, darunter auch Saatgut, wurden neu definiert - als Maschinen und Produkte, die von dem Patentinhaber erfunden und hergestellt wurden.
Nach diesen Regeln hat der Patenthalter das monopolistische Recht, andere daran zu hindern, Saatgut herzustellen, zu benutzen oder zu verkaufen. Die Saatgutgewinnung wird somit von einer "heiligen Pflicht" des Bauern zum Vergehen des "Eigentums"-Diebstahls. Der Artikel 27.3 (b) des TRIPS-Abkommens, der Patente für lebende Ressourcen vorsieht, wurde von Biotechnologie-Unternehmen durchgesetzt, um sich zu den Herren des Lebens zu machen.
Patente auf das Leben
Ein Ergebnis war, dass die Chemiekonzerne der Welt Saatgut- und Biotech-Firmen aufkauften, sich als biowissenschaftliche Unternehmen reorganisierten und Patente auf Gene, Samen, Pflanzen und Tiere beanspruchten. So sind 80 Prozent des derzeit eingesetzten gentechnisch veränderten Saatguts das geistige Eigentum des US-Konzerns Monsanto. Der Pflanzenschutzmittel- und Saatguthersteller besitzt außerdem eine breite Palette von Patenten auf Baumwoll-, Senf- und Sojabohnensamen, die nicht von Monsanto erfunden oder geschaffen wurden, sondern durch Jahrhunderte der Innovation von Bauern entstanden sind, die dazu die natürliche Biodiversität nutzten.
Als Folge der Globalisierung haben Konzerne wie Monsanto eine monopolartige Kontrolle über Saatgut erlangt. In Indien verkauften sie zunächst Hybrid-Baumwollsamen und später genetisch veränderte, insektenresistente Baumwollsamen. Dieses Hochpreis-Saatgut, das weder erneuerungsfähig noch zuverlässig ist, hat viele indische Bauern ins Elend gestürzt und tausende in den Selbstmord getrieben - nach Regierungsangaben von 2006 brachten sich im vergangenen Jahrzehnt 150.000 Bauern um. Der "Selbstmord-Gürtel" umschließt Regionen, in denen Firmen wie Monsanto Monopole aufgebaut haben.
Konsequenzen verschwiegen
Doch anstatt sich für einen freien Zugang zu Saatgut und Medikamenten einzusetzen, treibt die G8 den monopolartigen Marktzugang für jene Konzerne voran, die im Bereich des Biotechnologie-Saatguts die Giganten sind. Das Papier "Wachstum und Verantwortung - Leitmotiv der deutschen G8-Präsidentschaft" fordert mehrfach einen stärkeren Schutz geistigen Eigentums, ohne dabei die Konsequenzen zu erwähnen, die Saatgut-Patente für Bauern haben. In dem Papier heißt es:
"Innovationen sind der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit hoch entwickelter Volkswirtschaften. (…) (Wir) wollen Innovationsleistungen durch die Stärkung des Schutzes geistigen Eigentums wirksamer schützen. Dabei wollen wir aber nicht nur das Angebot von gefälschten Produkten und Markenpiraterie eindämmen. (…) Darüber hinaus wollen wir einen strukturierten und formalisierten Dialog mit den Schwellenländern über die Umsetzungsschwierigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten des internationalen Systems zum Schutz geistigen Eigentums initiieren. "
Biopiraterie kein Thema
Das Thema Biopiraterie wird dabei nirgends erwähnt; Produktpatente werden als ein Recht vorausgesetzt. Das ist eine direkte Unterstützung von Saatgut-Monopolen. Anstatt sich zu der ausstehenden Überprüfung des TRIPS-Abkommens zu verpflichten, ist es die Priorität der G8, neue Abkommen zu schaffen, um Monopole und Patentverletzungen für Konzerne durchzusetzen.
Wenn das TRIPS-Abkommen hunderttausende Bauern in Indien in den Selbstmord getrieben hat, indem es ihnen Saatgut verweigert, wie viel stärker wird dann eine erweiterte Version von TRIPS auf die Armen dieser Welt auswirken? Der Schutz geistigen Eigentums von Unternehmen ist zu einer Gefahr für das Überleben der Armen geworden.
Die indische Umweltaktivistin und Bürgerrechtlerin Vandana Shiva ist Quantenphysikerin und Direktorin der Forschungsstiftung für Wissenschaft, Technologie und Ökologie in Neu Delhi. Für ihr Engagement wurde sie 1993 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.