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Varughese: Angst und Schock in Nepal

Gabriel Dominguez / das 25. April 2015

Ein schweres Erdbeben hat den Himalaya-Staat Nepal erschüttert. George Varughese von der Asia Foundation spricht im DW-Interview über die Katastrophe, die er in Kathmandu erlebt hat.

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Nepal Kathmandu Starkes Erdbeben
Bild: Reuters/N. Chitrakar

DW: Wie groß ist das Ausmaß der Zerstörung durch das Erdbeben?

George Varughese: Diese Frage kann im Moment niemand verlässlich beantworten, weil Kommunikationskanäle abgeschnitten und Straßen nicht passierbar sind. Trümmer der Gebäude, die in Kathmandu eingestürzt sind, blockieren die Straßen und hindern Krankenwagen und andere Notfall-Fahrzeuge daran, ihr Ziel zu erreichen. Nach unserem Informationsstand ist es in den älteren Vierteln von Kathmandu Valley zu den schlimmsten Zerstörungen gekommen, auch in der Gegend um Sundhara, wo der Dharahara Turm eingestürzt ist. Vom Turm ist nichts mehr übrig geblieben außer seinen Gerüsten. Das Erdbeben hat auch das historische Viertel Bhaktapur und die kulturell interessante Gegend Patan schwer getroffen.

Wie haben Sie das Erdbeben erlebt?

Weil heute (Samstag) in Nepal kein Arbeitstag ist, waren viele Menschen nicht in den Büros in der Innenstadt, sondern zu Hause oder spazieren. Ich war mit meiner Familie zu Hause, als um etwa 11:30 Uhr die Erde bebte. Wir haben es geschafft, hinaus zu rennen, aber das Beben war so stark, dass wir mehrmals hingefallen sind. Jetzt sitzen wir schon seit Stunden draußen in der Nähe des Hauses.

Wie haben die Menschen in Kathmandu auf die Katastrophe reagiert?

Auf den meisten offenen Flächen der Stadt sitzen viele Menschen eng beisammen und warten - immer noch im Schockzustand. Alle sind draußen. Die erste Reaktion war Angst und Schock. Das Erdbeben war sehr stark und ich rechne damit, dass die Nachbeben noch mindestens zwei oder drei Tage andauern werden.

Wie sind die staatlichen Behörden mit dem Erdbeben umgegangen?

Sie haben sich bemüht zu reagieren und mit der Situation zurechtzukommen. Die Polizei versucht, Straßen offen zu halten und die Menschenmengen zu lenken. Doch man hat bislang noch nicht das Gefühl, dass sich das alles in eine bestimmte Richtung bewegt. Leider ist der Staat in den letzten Jahren immer unfähiger geworden, insbesondere wenn es darum geht, mit solchen Katastrophen umzugehen. Der Flughafen wurde heute für den internen kommerziellen Flugverkehr geschlossen. Die Start- und Landebahn scheint nicht beschädigt zu sein, aber im Moment fliegen nur Notfall-Helikopter.

Was brauchen die Betroffenen jetzt am meisten?

Wir brauchen Informationen von Seiten der staatlichen Behörden. Die Menschen müssen erfahren, was genau passiert und wie groß das Ausmaß der Zerstörung ist. Es gibt einfach nicht genug Informationen darüber, was heute, am Abend oder morgen zu tun ist. Wir brauchen auch mehrere Notfall-Helfer vor Ort, die Verschüttete bergen.

Ich sehe Menschen, die versuchen, ihre Lieben in ein Krankenhaus zu bringen. In den nächsten Tagen werden Trinkwasser und Hygiene mit Sicherheit zu den Prioritäten gehören. Ich befürchte allerdings, dass die Zahl der Toten bei mehr als 1000 liegen wird.

Sind auch andere Regionen des Landes betroffen?

Ja, obwohl das Ausmaß der Zerstörung noch schwer einzuschätzen ist. Die meisten ländlichen Gegenden und Dörfer in der Nähe des Epizentrums des Bebens sind auch von schweren Zerstörungen betroffen.

Wie kann die internationale Gemeinschaft helfen?

Wir brauchen dringend Ausrüstung und Notfall-Teams. Im Moment sieht es so aus, als würde heute nur ein Flugzeug der indischen Luftwaffe hier landen. Der Flughafen ist nicht komplett geöffnet und auch nicht dafür ausgerüstet, um mit groß angelegten Notfalloperationen umzugehen. Während des Erdbebens war nur eine Person im Tower des Flughafens, weil alle anderen hinaus gerannt waren. Drei Flugzeuge hatten große Probleme bei der Landung wegen unzureichenden Informationen aus dem Tower. Ich frage mich, ob der Tower überhaupt mit tragbaren Hochfrequenz-Geräten ausgerüstet ist, um Flugzeuge in solchen Notfällen trotzdem sicher zur Landebahn zu lotsen.

Obwohl Nepal in den vergangenen Jahren Hilfen für das Notfallmanagement bekommen hat, sind die grundlegenden Abläufe noch nicht etabliert und wurden noch nicht eingeübt für den Katastrophenfall. Wir können nur hoffen, dass dies zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Frage von Verantwortung und nötigen Fähigkeiten im Notfall führt - Notfälle, die in Nepal immer passieren könnten.

George Varughese ist der Vertreter der NGO "Asia Foundation" in Nepal. Er ist Experte für Regierungsführung und Politik in Nepal und Afghanistan.

Das Gespräch führte Gabriel Dominguez.