Vater sein dagegen sehr
8. März 2005Väter von heute begleiten ihre Frauen in die Geburtsvorbereitungskurse, sind bei neun von zehn Geburten dabei und können selbstverständlich Windeln wechseln. Doch eines gelingt ihnen nicht: im Beruf kürzer zu treten. Trotz Familie machen sie weiter Überstunden.
Stefan Barthmann ist interner Unternehmensberater bei der Commerzbank. Er trägt Anzug und Schlips, hat Termine und Besprechungen, ein Büro und Kollegen, mit denen er Projekte konzipiert. Und er hat eine dreijährige Tochter. "Meine Lebensgefährtin und ich sind relativ schnell übereingekommen, dass wir den Spielraum, der uns gegeben ist, nutzen", sagt er. Das heißt: "Keiner verzichtet auf den Job, aber jeder hat auch eine Beziehung zur Tochter."
Bartmann hat von seinem Recht auf Teilzeit Gebrauch gemacht und arbeitet nur noch 64 Prozent seiner bisherigen Beschäftigungszeit - ebensoviel wie seine Frau. Wenn er zu Hause ist, bringt er die Tochter in den Kindergarten und kümmert sich um Einkauf, Abwasch oder die Termine beim Kinderarzt. Seit 2001 können alle Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit in Deutschland verkürzen, wenn sie eine Familie haben.
Familienfreundliches Unternehmen
Die rot-grüne Bundesregierung hat gesetzlich verankert, dass in den ersten drei Jahren sowohl Mütter als auch Väter Anspruch auf Elternzeit haben. Einer von ihnen kann zu Hause bleiben oder beide können Teilzeit arbeiten - der Arbeitsplatz bleibt erhalten. Paare könnten sich also Familien- und Erwerbstätigkeit teilen. Doch Väter wie Barthmann sind eine Ausnahme.
Laut Bundesfamilienministerium gehen nur knapp fünf Prozent der berechtigten Väter in Elternzeit. Einige der größten deutschen Unternehmen werben heute mit familienfreundlicher Personalpolitik - mit betrieblicher Kinderbetreuung, Teilzeitangeboten, flexiblen Arbeitszeiten und -orten. Auch Barthmanns Arbeitgeber, die Commerzbank in Frankfurt am Main. Andreas de Maizière ist Personalvorstand der Bank. "Das ist ein Teil unserer Personalentwicklung", sagt er. "Wir haben weniger Ausfallzeiten und zufriedenere Mitarbeiter. Das lohnt sich."
Doch auch bei der Commerzbank bleiben nur eine Hand voll Männer mit dem Kind zu Hause. In der Bank fragt man sich inzwischen, warum. Das Management hat kürzlich Sozialwissenschaftler mit einer Studie betraut. Sie sollen Väter im Unternehmen, deren Familien, Kollegen und Vorgesetzte fragen, was sie eigentlich wollen und brauchen.
Tücken des beruflichen Alltags
Eigentlich wünschen sich viele deutsche Männer mehr Zeit für ihre Familie. Das zeigen verschiedene sozialwissenschaftliche Studien. Bis zu 70 Prozent der Väter würden danach gern ihre Arbeitszeit reduzieren. Sie tun es aber nicht. Tatsächlich arbeiten sie im Durchschnitt 40 Wochenstunden und mehr. Flexible Arbeitszeiten oder Telearbeit anzubieten ist das eine, sie durchzusetzen etwas anderes, sagt Heidrun Czock von der Prognos AG, einem auf Wirtschaftsforschung spezialisierten Unternehmen.
"Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Umsetzung von familienpolitischen Konzepten manchmal in den Niederungen des Betriebsalltags hängen bleibt", weiß sie. Es sind die Vorgesetzten, die sich mit Dienstplänen herumschlagen müssen. Sie müssen ihren Mitarbeitern entgegen kommen und das Unternehmen nach außen vertreten. Leider ist die mittlere Führungsschicht zu 90 Prozent männlich. Es ist zweifelhaft, dass die den Balanceakt zwischen Job und Kind selbst kennt - Väter, die sich entscheiden, zugunsten der Familie im Beruf kürzer zu treten, rücken selten in entsprechende Posten vor.