Venedig ringt um seinen UNESCO-Welterbetitel
14. Juli 2021Seit Jahren wird in Venedig über das Für und Wider von großen Kreuzfahrtschiffen debattiert. Ohne ernsthafte Konsequenzen. Nun steht fest: Ab dem 1. August dürfen große Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in die Lagunenstadt einlaufen. Das gab die Regierung in Rom am Dienstag nach einer Kabinettssitzung bekannt.
Die Entscheidung kommt zum richtigen Zeitpunkt. Am 16. Juli beginnt die Tagung des UNESCO Welterbekomitees im chinesischen Fouzhou. Dort wird unter anderem auch darüber beraten werden, ob Venedig auf die Liste der "World Heritage Sites in Danger" gesetzt werden soll. Auf dieser sogenannten Roten Liste finden sich Welterbestätten wieder, deren Status von der UNESCO als gefährdet angesehen wird.
Ein entscheidendes Kriterium für die Gefährdung Venedigs sieht die UNESCO in den Ozeanriesen, die die Stadt anlaufen. Sie verpesten mit ihren Abgasen nicht nur die Luft, durch ihre Vorbeifahrt erhöhen sie den Wasserdruck auf die unter Wasser liegenden Fundamente der historischen Bauten und sie zerstören das empfindliche Ökosystem der Lagune.
Auch betrachten die Hüter des Welterbes mit Argwohn, dass die Verantwortlichen rund um den Markusdom die Touristenmassen nicht in den Griff bekommen, die Venedig im wahrsten Sinne des Wortes ebenfalls überfluten. Im Jahr 2019 sollen sich rund 16 Millionen Besucher in den Gassen und auf den Kanälen gedrängt haben - die einheimische Bevölkerung der zentralen Altstadt ist hingegen auf unter 60.000 zurückgegangen.
Der Welterbetitel wurde Venedig einst verliehen mit der Begründung, die gesamte Stadt sei "ein außerordentliches architektonisches Meisterstück, in dem selbst die kleinsten Gebäude Werke der weltbesten Künstler wie Titian, Tintoretto und anderen" beinhalteten.
Rote Liste als Weckruf
Die UNESCO Weltkulturorganisation betont, dass die Aufnahme in die Rote Liste weder Strafe noch Verwarnung sei.
"Vielmehr handelt es sich um einen Mechanismus, um diese außergewöhnlichen Orte für kommende Generationen zu bewahren", sagt Peter Martin von der Deutschen UNESCO-Kommission. Die Aufnahme in die Rote Liste zeige lediglich, dass dringend gehandelt werden müsse, um dieses Ziel zu erreichen. "Damit das gelingt, macht das Welterbekomitee konkrete Vorgaben, wie Gefahren vom Welterbe abgewandt werden können und formuliert Empfehlungen für die Stätten", betont Martin.
Als Beweis für den Erfolg dieses Vorgehens nennt er die Geburtskirche Jesu in Bethlehem. Sie war von baulichem Verfall, wachsendem Tourismus und einem Tunnelprojekt bedroht und wurde deshalb auf die Liste der bedrohten Welterbestätten genommen. Daraufhin wurden das Bauprojekt verworfen und die Kirche umfangreich restauriert - maßgeblich finanziell unterstützt durch Schweden und Italien. Das führte dazu, dass die Kirche wieder von der Roten Liste genommen werden konnte.
Letztlich sei es, so Peter Martin, erst bei zwei Welterbestätten - von mehr als 1000 - erforderlich gewesen, ihnen den Welterbe-Status dauerhaft wieder zu entziehen: bei der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal und dem Wildschutzgebiet der Arabischen Oryx im Oman.
Bis es jedoch so weit kommt, bleiben die "gefährdeten" Welterbestätten auf der World Heritage List und dürfen mit diesem Status weiter für sich werben. Ob das aber - wie bei Venedig - angesichts der durch die zu großen Touristenmassen mitverursachten Kritik klug ist, ist wieder eine ganz andere Frage.