Vereidigung von Hugo Chávez
10. Januar 2007"Gracias" - mehr habe Hugo Chávez nach eigenen Angaben bei der Verabschiedung der scheidenden Minister und der Vereidigung des neuen Kabinetts am Montag (8.1.) ursprünglich gar nicht sagen wollen, berichtete die venezolanische Tageszeitung "El Universal" in ihrer Internetausgabe. Aber dann schmetterte der 52-Jährige eine Grundsatzrede dahin, in der er die Marschrichtung seiner dritten Amtzeit deutlich machte: Es geht weiter nach links in Venezuela.
"Wir bewegen uns auf den Sozialismus zu und niemand kann das verhindern", sagte der Linksnationalist, der am 6. Dezember mit 62 Prozent der Stimmen wieder ins Amt des Präsidenten gewählt wurde, das er seit 1999 mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 2002 inne hat. Die Instrumente dazu sieht Chávez unter anderem in der Verstaatlichung des Stromversorgers Electricidad de Caracas, einer Tochtergesellschaft eines US-Konzerns, sowie der erst 1991 privatisierten Telefongesellschaft C. A. Nacional Telefonos de Venezuela, derzeit das größte börsennotierte Unternehmen des Landes.
Während sich der größte Teil der Erdölbranche bereits vor Chávez' Wiederwahl in Staatshand befand, soll auch das Schweröl-Projekt in der Orinoco-Region, an dem sich internationale Konzerne beteiligen, nationalisiert werden. "Die Nation sollte sich ihr Eigentum an strategischen Sektoren zurückerlangen", argumentiert Chávez.
Obwohl das Parlament bereits von Gesinnungsgenossen dominiert wird, kündigte Chávez an, zusätzlich mit Präsidialdekreten regieren zu wollen. "Eine Art Ermächtigungsgesetz", nennt Klaus Bodemer vom Institut für Lateinamerika-Studien des Giga (German Institute of Global and Area Studies) in Hamburg diese Maßnahme. "Es besteht die Gefahr, dass Chávez gestärkt durch den haushohen Wahlsieg überdreht", sagt der Venezuela-Experte. Ein Anzeichen dafür sei, dass er seinen Bruder zum Bildungsminister gemacht habe.
Chávez will Geldpolitik kontrollieren
Auch zu "tiefgreifenden Verfassungänderungen" auf dem Weg zur sozialitischen Republik sieht sich der Präsident legitimiert. So soll zum Beispiel die Zentralbank ihre Unabhängigkeit verlieren. "Chávez will deren Überschüsse kontrollieren, um damit seine Sozialprogramme zu finanzieren," sagt Andreas Boeckh, Leiter des Lehrstuhls für Politik in Lateinamerika der Universität Tübingen.
"Gerade für Venezuela, das wegen seiner gigantischen Staatsausgaben eine hohe Inflationsrate hat, ist es ein Problem, wenn der Staat die uneingeschränkte Kontrolle über Ausgaben hat," sagt Boeckh. Nur so lange wie die Öl-Einnahmen die verheerende Finanzpolitik der Regierung verdeckten, sei das Regime auf der sicheren Seite. Doch das wirtschaftliche Ansehen des Ölexporteurs in der Welt könnte bereits jetzt Schaden nehmen. "Für ausländische Investoren ist die Verstaatlichung der Zentralbank ein verheerendes Signal," sagt Klaus Bodemer.
Keine Kontroll-Instanzen
Dass es zu weitgehenden Nationalisierungen kommen werde, hatte Chávez bereits im Wahlkampf angekündigt. "Die Wähler wussten, worauf sie sich einlassen", sagt Nikolaus Werz, Leiter des Instituts für Politik und Verwaltungswissenschaft der Universität Rostock. Ein starker staatlicher Sektor sei in einem Ölland wie Venezuela nicht völlig neu. "Neu ist jedoch, dass dies mit der offenen Absicht geschieht, länger zu regieren."
Die dritte Amtszeit von Chávez dauert bis 2013, doch es gibt Anzeichen, dass er diese mit weiteren Verfassungsänderungen verlängern könnte. "Die Kontrollmechanismen in Venezuela funktionieren nicht mehr, denn auch Justiz und Kongress werden von Chávez-Getreuen dominiert", sagt Andreas Boeckh. "Chávez hat keine formalen Beschränkungen."
Mutlose Opposition
An diesem Zustand trägt die Opposition Mitschuld, denn zu den Parlamentswahlen vor einem Jahr waren die oppositionellen Parteien nicht angetreten, weil sie Zweifel an dem Wahlverfahren hatten. "Im Moment hat die Oppositon allen Mut verloren. Sie müssen sich erst wieder auf einen gemeinsamen Nenner einigen", sagt Bodemer vom Giga.
Ausgerechnet an ihrem Gegner könnte sich die Opposition ein Beispiel nehmen. Denn der venezolanische Präsident hat im Dezember damit begonnen, die ursprünglich 23 Gruppen, die ihn politisch unterstützen, zusammenzuführen. Die von ihm 1997 gegründete "Bewegung V. Republik" (MVR) soll aufgelöst werden. Kritiker werfen ihm bereits vor, er wolle eine sozialistische Einheitspartei nach dem kubanischen Modell gründen, sie fürchten gar ein Einheitssystem. Schließlich zeige Chávez immer wieder unverholen seine Bewunderung für Fidel Castro. "Das hat er im Moment gar nicht nötig", sagt Boeckh. So lange er in freien Wahlen so großen Erfog habe, brauche er keine internationale Schelte riskieren.