Umstrittene Wahl beginnt in Venezuela
30. Juli 2017Aufgerufen zur Wahl sind rund 19 Millionen Menschen. Mehr als 230.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Der linksgerichtete Staatspräsident Nicolás Maduro erklärte, die neue Verfassung solle dazu beitragen, die schwere Krise in dem Land beizulegen.
Dagegen wirft die Opposition Maduro vor, er wolle die verfassunggebende Versammlung mit eigenen Anhängern besetzen, um sich "diktatorische Vollmachten" zu sichern. Zudem beschuldigt sie ihn, einen staatlichen Umbau nach dem Vorbild Kubas anzustreben. Sie fordert vorgezogene Präsidenten- und Parlamentswahlen.
Aufruf zum Boykott
Ein Bündnis aus rund 20 Oppositionsparteien rief zum Boykott der Abstimmung auf und forderte seine Anhänger trotz eines Demonstrationsverbots der Regierung auf, auf die Straßen zu gehen. Die Regierung hat Kundgebungen bis Dienstag untersagt und droht Bürgern bei Zuwiderhandlung mit langen Haftstrafen. Dennoch blockierten Oppositionelle erneut Straßen. Aus Furcht vor Engpässen bei Unruhen oder einer Schließung der Geschäfte horten viele Bürger Lebensmittelvorräte. Viele Menschen sind wegen der Ausschreitungen geflüchtet, allein in Kolumbien sollen sich bis zu 140.000 Venezolaner illegal aufhalten. Die dortige Regierung bietet den Geflüchteten nun einen bis zu zweijährigen Aufenthaltsstatus an.
Gewählt werden am Sonntag 364 Mitglieder der Versammlung, die die Kommunalbezirke im Land vertreten. Dazu kommen 173 Mitglieder aus Sektoren, die vorwiegend den Sozialisten nahestehen: Arbeiter, Studenten, Rentner, Bauern, Fischer. Daneben werden noch acht indigene Vertreter gewählt. Insgesamt stehen rund 5500 Kandidaten zur Wahl. Umfragen zufolge lehnen 70 Prozent der Bürger die Verfassungsversammlung ab.
Mehr als 100 Tote
Die rechtsgerichtete Opposition kämpft seit Monaten für eine Amtsenthebung des sozialistischen Staatschefs. Seit Beginn der Protestwelle Anfang April wurden bereits 113 Menschen getötet. Viele Beobachter erwarten am Sonntag eine weitere Eskalation im Land mit den größten Ölreserven der Welt.
Am Donnerstag hatte die Opposition zu einem Generalstreik aufgerufen. Er wurde jedoch nicht in dem Maße befolgt wie ein Ausstand in der vergangenen Woche. Mit der Protestwelle sollte Maduro zur Absage der Wahl gezwungen werden. Die USA und die EU forderten Maduro auf, die umstrittene Wahl auszusetzen. Die USA haben bereits Sanktionen gegen einflussreiche Personen aus Regierung, Militär und dem staatlichen Ölunternehmen PDVSA verhängt. Zudem haben sie Familien von Diplomaten zur Ausreise aufgerufen.
Auslandsflüge gestrichen
Wegen der extrem angespannten Lage im sozialistischen Venezuela haben die Fluggesellschaften Iberia und Air France mehrere Flüge in das südamerikanische Land gestrichen. Inzwischen ist Venezuelas Hauptstadt kaum noch zu erreichen. Zehn Fluggesellschaften, darunter Lufthansa und Alitalia, haben den Flugverkehr ohnehin schon dauerhaft eingestellt, unter anderem wegen Sicherheitssorgen am internationalen Flughafen Simón Bolívar und wegen Außenständen in Millionenhöhe bei Ticketverkäufen in dem Land.
Neben der politischen Krise wird das südamerikanische Land von einer schweren Versorgungskrise erschüttert. Lebensmittel fehlen und in den Krankenhäusern und Apotheken mangelt es überall an Medikamenten.
kle/mak (epd, dpa, afp, rtr)