Venezuelas Parlament entmachtet
30. März 2017Venezuelas Oberster Gerichtshof hat dem von der bürgerlichen Opposition kontrollierten Parlament seine Kompetenzen entzogen und bis auf Weiteres sich selbst übertragen.
Solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, würden die Kompetenzen des Parlaments vom Obersten Gerichtshof oder einem von ihm bestimmten Organ ausgeübt, hieß es in einer in Caracas verbreiteten Entscheidung. Hintergrund ist ein erbitterter Machtkampf zwischen der Regierung des sozialistischen Staatschefs Nicolás Maduro und der Opposition.
Der Präsident der Nationalversammlung, Julio Borges, sprach von einem Staatsstreich. "Das heißt nichts anderes als Staatsstreich und Diktatur in Venezuela - heute zählt die Verfassung nichts mehr", erklärte er. Maduro habe selbst die Anweisung zu diesem skandalösen Urteil gegeben.
Peru rief aus Protest seinen Botschafter aus Caracas ab, wie Außenminister Ricardo Luna in Lima mitteilte. Dem Ministerium zufolge ist Peru mit anderen Staaten im Gespräch, ob Venezuela aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ausgeschlossen werden sollte. Argentiniens Regierung äußerte "große Besorgnis" über die Lage.
Immunität der Abgeordneten aufgehoben
Der Oberste Gerichtshof hatte bereits im August 2016 geurteilt, dass die oppositionelle Mehrheit im Parlament gegen geltendes Recht verstoße, weil sie drei Abgeordnete, deren Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs ausgesetzt worden war, vereidigt hatte. Am Dienstag hatten die Richter die Immunität der Abgeordneten im venezolanischen Parlament aufgehoben. Damit ist der Weg für die Strafverfolgung von Parlamentariern frei.
Venezuela wird seit langem von schweren politischen Spannungen erschüttert. Das Parlament mit seiner oppositionellen Mehrheit versucht seit Monaten, Venezuelas sozialistischen Staatschef Nicolás Maduro abzusetzen.
Schwere Versorgungskrise
Zudem ist das südamerikanische Land, das über die größten Ölreserven der Welt verfügt, in eine historische Versorgungskrise gerutscht. Wegen der höchsten Inflation der Welt und damit einhergehend einem dramatischen Wertverlust des Bolívar gegenüber Dollar und Euro können die notwendigen Importe von Lebensmitteln und Medikamenten kaum noch bezahlt werden. Die Kindersterblichkeit ist dramatisch gestiegen, überall dominieren lange Schlangen und verzweifelte Menschen das Alltagsleben.
wl/se (afp,dpa)