Rückzug aus dem Jemen?
10. Juli 2019Seit über drei Jahren kämpft die von Saudi-Arabien geführte internationale Allianz im Jemen - mit überschaubarem Erfolg. Den aufständischen Huthis, den Hauptgegnern der Koalition, ist militärisch kaum beizukommen. Auch die Terrororganisation "Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQIP) ist weiterhin in dem Land präsent.
Nun scheint es, als schwände zumindest unter einem Teil der Koalitionäre der Wille, weiterhin im bisherigen Maßstab in dem Land an der Südspitze der Halbinsel zu kämpfen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich aus mehreren der ihnen im Rahmen der Kriegskoalition überantworteten Gebiete zurückgezogen. So berichtet der amerikanische Think Tank "Washington Institute for Near East Policy" unter Berufung auf offizielle emiratische Quellen, in der Provinz Marib wären die Streitkräfte der VAE überhaupt nicht mehr präsent. In der Provinz Hudaida seien sie nur noch mit einem Fünftel ihrer ursprünglichen Stärke vertreten. Die Kontrolle der Region hätten sie zuvor ausgebildeten jemenitischen Kräften überlassen. Auch aus der Hafenstadt Aden hätten sich die VAE in Teilen zurückgezogen, so der Think Tank. Ebenso hätten sie aus der Operationsbasis Assab in Eritrea den größten Teil ihrer Truppen abgezogen.
VAE: zu viele Ziele auf einmal
Die VAE begründen Presseberichten zufolge ihren Rückzug damit, dass die Kriegsziele im Süden des Jemen weitestgehend erreicht worden seien. Auch vermittelten nun UN-Mitarbeiter in dem Konflikt, was es ebenfalls angeraten erscheinen lasse, die Kräfte im Jemen zu reduzieren.
Allerdings dürften auch andere Motive eine Rolle spielen. Die Emirate hätten in dem Krieg zwei Ziele verfolgt, sagt Elizabeth Dickinson, Chef-Analystin der International Crisis Group für die Arabische Halbinsel. Zum einen wollten sie die aufständischen Huthis bekämpfen. Zum anderen hätten sie auch eine Vielzahl islamistischer Gruppen verfolgen wollen. "Darunter versteht man in den VAE nahezu alle Gruppierungen zwischen den Muslimbrüdern und Al-Kaida. Unter ihnen finden sich auch Akteure, die aus Sicht anderer Länder keineswegs terroristische, sondern islamistische Mainstream-Organisationen sind", führt Dickinson weiter aus. Nun hätten die VAE erkannt, dass sie sich mit diesem Ziel übernommen hätten. "Außerdem haben sie sich von Saudi-Arabien zu Teilen auch in den Krieg hineinziehen lassen. Sie selbst waren mit ihrer Rolle dort niemals wirklich zufrieden."
Auch angesichts der enormen Kosten des Krieges suchten die VAE nun nach Alternativen, so Dickinson. Zunehmend setzten sie nun auf eine politische Lösung des Krieges. "Ihr Rückzug jetzt soll dazu beitragen, diese Gespräche in Gang zu bringen. Auch wollen sie auf diese Weise dazu beitragen, die Belastung zu verringern, die durch den Kampf in dem kleinen Land in der gesamten Region entstanden ist", so Dickinson im Gespräch mit der DW.
Suchen nach einer politischen Lösung
Im Dezember vergangenen Jahres begannen in Stockholm Verhandlungen zwischen den jemenitischen Kriegsparteien. Die verliefen zwar zäh und lange Zeit ohne nennenswerte Ergebnisse. Womöglich sind aber nun doch Grundlagen gelegt worden, die nun zu einer politischen Lösung des Konflikts führen könnten.
Käme es jetzt zu neuen Gesprächen zwischen den beteiligten Kriegsparteien und würden diese sich an die Abmachungen auch halten, halten, dann bestünde die Aussicht, einige jener Punkte zu regeln, die Saudi-Arabien und die VAE in den vergangenen Jahren so beunruhigt hatten - so etwa die Sorge, die Aufständischen könnten weiterhin Waffen durch den Hafen der Stadt Hudaida schmuggeln.
Ganz aufgeben wollen die VAE ihr Engagement im Jemen offenbar aber nicht. So sollen die von den Emiraten bezahlten Söldner, unter ihnen 10.000 sudanesische Kämpfer, weiter auf der Basis Assab in Eritrea bleiben. Ebenso sollen nach Informationen des Washington Institute auch die von der al-Mukalla-Basis dirigierten Anti-Terror-Operationen, gerichtet hauptsächlich gegen Al-Kaida, weiter fortgeführt werden.
Enge Absprache zwischen den VAE und Saudi-Arabien
Ganz überraschend komme der Rückzug der VAE nicht, sagt Riad Kahwaji, Direktor des Near East and Gulf Institute for Military Analysis in Dubai. In letzter Zeit hätten von der Koalition ausgebildete jemenitische Kräfte deren Einheiten in immer größeren Maß ersetzt. "Außerdem sprechen sich Saudi-Arabien und die VAE sehr eng miteinander ab. Darum dürfte Saudi-Arabien über den Rückzug der VAE bereits seit langem informiert sein und ihn auch nicht als einseitigen Schritt verstehen."
Im Gegenteil, Saudi-Arabien könnte den Schritt sogar gutheißen, so Kahwaji. Denn die Spannung zwischen den USA und Iran hätten die Situation in der Region noch einmal grundlegend verändert. Sie sei derzeit kaum berechenbar. Auch darum hätten sich die VAE dazu entschlossen, ihre Streitkräfte auch für eine mögliche Konfrontation am Persischen Golf bereitzuhalten. Käme es zu einer militärischen Auseinandersetzung, stünden sie wiederum an der Seite Saudi-Arabiens - dieses Mal gegen den Iran.