"Frauenopferrollen interessieren mich nicht"
18. Dezember 2018"Ich war Diener im Hause Hobbs" ist der ungewöhnliche Titel ihres neuen Romans. Roßbacher wurde 1979 im österreichischen Vorarlberg geboren und wuchs in Österreich und in der Schweiz auf. In Zürich begann sie ein geisteswissenschaftliches Studium, wechselte dann aber nach Ost-Deutschland, wo sie am "Deutschen Literaturinstitut Leipzig" literarisches Schreiben studierte.
Nach Zürich führt den Leser auch Roßbachers neuer Roman, der in der Familie eines international agierenden Finanz-Anwalts spielt. "Ich war Diener im Hause Hobbs" stellt, ungewöhnlich im Jahr 2018, einen jungen Butler ins Zentrum der Handlung: Christian trifft im Laufe des Geschehens auf drei alte Jugendfreunde - und das Buch wandelt sich in eine Rückschau: Die vier ehemaligen Freunde entdecken Gemeinsamkeiten und Trennendes, Vergangenheit und Gegenwart treten in eine geheimnisvolle Beziehung.
Blick hinter die Mauern der Schweizer Bourgeoisie
So ist "Ich war Diener im Hause Hobbs" ein Buch über Finanzgebaren in der Züricher High-Society, aber auch ein Roman über Freundschaften - und das Leben eines jungen Mannes, der einen aussterbenden Beruf ausübt. Roßbacher hat einen der schönsten und intelligentesten, aber auch unterhaltsamsten Romane im diesjährigen Bücher-Herbst vorgelegt.
Deutsche Welle: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Roman über einen jungen Mann zu schreiben, der den Butler-Beruf ausübt?
Verena Roßbacher: Das hat zwei unterschiedliche Gründe, einer liegt im Erzählerischen. Es war auch eine formale Frage, weil ich eine Figur wollte, die einerseits sehr involviert ist in ein Geschehen - die aber auf der anderen Seite nicht dazugehört. Ein Angestellter, ein Hausmädchen oder ein Butler lebt mit und in einer Familie, ist sozusagen Teil der Familie - und ist es auf der anderen Seite natürlich doch nicht. Das ist erzählerisch eine sehr dankbare Situation - weil man Teil ist, sehr viel mitbekommt, sieht, hört - und auf der anderen Seite natürlich immer distanziert ist, draußen bleibt.
Und es hat einen privaten Grund. Ich habe sehr lange als Hausmädchen gearbeitet, als ich in Zürich studiert habe. Ich wollte damit eigentlich nie etwas machen, das hat mich romantechnisch nie interessiert - bis dann diese Steuersache sehr populär wurde…
…in der Schweiz wurden 2013 die Namen und Geburtsdaten vieler mutmaßlicher, auch prominenter Steuersünder veröffentlicht.
Ich weiß nicht, wie stark man das in Deutschland verfolgt hat. Das hat damals die Steuer-Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA verändert, das Steuergesetz wurde verschärft. Das war ein großes Problem: Diese ganzen Schweizer Konten, die schwarz geführt wurden, mussten damals offen gelegt werden. Es gab eine sogenannte Schonzeit - eine Frist für involvierte Banker und Anwälte, die sich freiwillig stellen konnten, wenn sie sich schuldig gemacht haben, amerikanisches Geld am amerikanischen Fiskus vorbeizuschleusen. Da gab es auch ein paar sehr prominente Fälle.
Das hat mich sehr interessiert, weil ich diese Kreise durch meine Tätigkeit als Hausmädchen kannte. Ich wusste also, wie die privat sind, wie die ticken. Da wurde es interessant: Wenn Leute plötzlich auf eine Art und Weise zu Helden werden, die eigentlich hochkriminell sind, es ging ja um Milliarden! Leute werden zu Helden, weil sie sich freiwillig stellen, weil sie als Kronzeugen auftreten gegen andere. Das war ein Riesending.
Das war eine merkwürdige Wechselwirkung: Einerseits dieses Bild der Leute in der Öffentlichkeit, das sich plötzlich verändert. Und andererseits: Was läuft da eigentlich privat? Was bedeutet das für eine Ehe? Was bedeutet das für eine Familie? Das war der Ausgangspunkt für den Roman. Das sollte ursprünglich die Geschichte sein, die ist aber dann zum Nebenschauplatz geworden...
…weil das Hauptthema ihres Buches ja eigentlich die Freundschaft zwischen Christian und den drei Kumpels ist, die in verschiedener Form in dieses Familien-Geflecht hineingezogen werden.
Dieses Thema Männerfreundschaft beschäftigt mich schon länger, auch in meinen zwei vorherigen Romanen war eine Freundschaft zwischen Jungs zentral. Das hat verschiedene Gründe. Mich reizt einerseits gerade an den Männern der jetzigen Generation, dass die einen sehr liebevollen Umgang miteinander haben. Diese vier Jungs in meinem Buch sind überhaut keine Machos, sie sind gebildet, aber auch nicht zu sehr, sie haben eine Form von freundlicher Zärtlichkeit miteinander, die ich total schön finde, die ich gerne beobachte.
Da wächst auch eine Generation von Männern heran, die ich toll finde. Die haben Humor, die sind selbstironisch, die sind zugewandt, die sind interessiert. Sie haben aber auch diesen typischen, total charmanten Narzissmus, den junge Männer oft haben. Das ist ein Typus, den ich mir gern angucke, wo ich als Frau natürlich nie dazugehört habe. Ich habe das aber mehrfach beobachtet, immer mit einer gewissen Bewunderung.
Ihr Buch ist von einem ironischen Tonfall durchzogen. Welche Rolle spielt Humor beim Schreiben?
Mein Lieblings-Regisseur Wes Anderson hat mal in einem Interview geantwortet, als er gefragt wurde, warum er immer männliche Hauptfiguren habe: Ein Grund sei, dass Männer viel eher dazu neigen, Nerds zu sein. Männer hätten öfters diese Phantasien, sich in etwas wahnsinnig herein zu steigern. Wenn man dann scheitert, dann ist die Fallhöhe umso größer. Und dann ist auch die Lächerlichkeit umso größer. Diese Lächerlichkeit schätzt er aber total. Das nimmt er bei Frauen weniger wahr.
Und Sie wenden sich deshalb auch lieber Männerfiguren zu?
Ich sehe das in meinem Schreiben aber auch kritisch. Ich komme natürlich aus einer klassischen Erzähl-Tradition, sowohl vom Lesen als auch vom Schreiben her: Da sind ja immer mehr männliche Figuren. Und das hat auch etwas mit Humor zu tun. Ich finde es schwieriger, eine weibliche Figur zu schaffen, die lustig ist, die klug ist, die Chuzpe hat - diese ganzen Sachen, die ich bei Männern schätze. Sobald eine Frau nicht schön ist, wird's immer schwierig.
Eine Frau ist, sobald sie irgendwie lustig ist, ein Clown. Bei Männern ist es so, dass ein Mann nicht gut aussehen muss, um witzig zu sein. Das ist ein merkwürdiges Thema, weil Humor für mich zentral ist. Es ist in meinen Büchern zentral, für meine Figuren zentral. Diese Frauen-Opfer-Rollen haben mich nie interessiert, Frauen, die leiden… Entschuldigungen Sie, aber diese Ingeborg-Bachmann-Figuren, das ist für mich ein absolutes No-Go.
Aber wie gesagt, das sehe ich auch kritisch. Es ist auch eine bequeme Haltung bei mir, sich auf bekannten Figuren auszuruhen. Das möchte ich nicht. Wir sind alle damit beschäftigt, diese Rollen-Figuren neu zu denken. Und ich finde lustige, gute, schlagfertige Frauenfiguren genauso toll wie solche Männerfiguren, für meinen nächsten Roman überlege ich mir das also.
Wie würden Sie Ihren Roman selbst einordnen? Es passieren ja durchaus tragische Ereignisse, es werden ernste Themen angeschnitten, das Ganze ist aber wunderbar lesbar, hat große Unterhaltungsqualitäten.
Ganz runtergebrochen sage ich: Es ist ein Unterhaltungsroman. Ich finde, es ist literarische Unterhaltung, es hat Krimi-Anteile, es hat ein bisschen was von Coming-of-Age. Ich habe sowieso ein Problem mit dieser Unterscheidung U und E im deutschsprachigen Raum (U steht für Unterhaltung, E für sogenannte ernste Literatur, Anm. d. Red.). Ich bin überhaupt nicht für diese Unterscheidung und ich sehe das auch nicht ein. Mein schreibender Weg geht immer mehr ins Erzählerische, ich mag das saftige Erzählen. Meine ganzen literarischen Vorbilder liegen in der ganz klaren klassischen Erzähl-Tradition. Da will ich hin und da geht auch das Buch hin.
Das Gespräch führte Jochen Kürten.
Verena Roßbacher: Ich war Diener im Hause Hobbs, 384 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3462048261.