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"Verfälschte Botschaft"

3. November 2003

Umfragen der EU-Kommission in Brüssel sind selten spektakulär. Doch am Montag (3.11.) sah sich die Europäische Union nach scharfer Kritik von Seiten Israels genötigt, sich von einer ihrer Umfragen zu distanzieren.

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Israel: eine Gefahr für den Weltfrieden?Bild: AP

Das Meinungsforschungsinstitut EOS Gallup Europe hatte im Auftrag der EU-Kommission vom 8. bis zum 16. Oktober je 500 Bürger in allen 15 EU-Staaten telefonisch nach Staaten befragt, von denen ihrer Meinung nach eine Bedrohung für den Weltfrieden ausgehe. Die Meinungsforscher nannten den Befragten 15 Länder. Das Ergebnis sorgte für extreme Misstöne in der Brüssler Diplomatie. Denn ausgerechnet Israel führt die Rangliste der als gefährlich eingeschätzten Staaten an: 59 Prozent der Befragten nannten das Land im Nahen Osten an erster Stelle. Noch vor dem Iran, Nordkorea und den USA mit jeweils 53 Prozent.

Israel und USA werden genannt

In Deutschland sahen 65 Prozent der Befragten in Israel eine Gefahr für den Frieden. In den Niederlanden waren es sogar 74 Prozent. In keinem EU-Land gab es eine Mehrheit für die Aussage, Israel bedrohe den Weltfrieden nicht. Nur in Deutschland und Italien teilt eine Mehrheit die Auffassung, von den USA gehe keine Bedrohung aus. In allen anderen EU-Länder dagegen überwiegt die gegenteilige Einschätzung - in Griechenland meinen sogar 88 Prozent der Befragten, die USA bedrohten die Welt. In Schweden gab es nur in zwei Fällen eine Mehrheit für die Aussage, einer der 15 aufgeführten Staaten bedrohe den Frieden: USA (54Prozent) und Israel (52 Prozent). Nach den Palästinensern sei deshalb nicht gefragt worden, weil Palästina kein Staat sei, erläuterte der Kommissionssprecher.

Reaktionen Israels vor der EU

Israels Vertretung bei der EU hat mit Bedauern und Empörung auf eine Umfrage reagiert. Nach der offiziellen Präsentation der Umfrage, die in Auszügen bereits vergangene Woche bekannt geworden war, erklärte die israelische EU-Mission am Montag (3.11.2003) in Brüssel, die Europäer schienen "ungeachtet der brutalen Terrorkampagne gegen Israel" für die Opfer und das Leiden des Landes blind zu sein. Israels verzweifeltes Ringen um Frieden und Sicherheit für seine Bürger sei durch eine oft einseitige und emotionsbeladene Berichterstattung der Medien jenseits der Wiedererkennbarkeit verzerrt worden.

Die traurigen und gefährlichen Ergebnisse der Umfrage zeigten, wie groß die emotionale Kluft zwischen Israel und Europa sei, hieß in der Stellungnahme. Europa solle mehr tun, um den Dialog mit Israel zu verbessern, statt "Megaphon-" und "Umfrage-Diplomatie" zu verfolgen. Die Mission warf der Umfrage vor, mit voreingenommenen Fragen einer politischen Zielsetzung zu folgen. Das Ergebnis der Umfrage sei nicht nur ein Problem Israels, sondern zuallererst Europas.

Reaktionen der EU

Der amtierende EU-Ratspräsident, der italienische Außenminister Franco Frattini äußerte sich distanziert. Die Umfrage sende ein falsches Signal aus, sagte er. Ein Sprecher der EU-Kommission wollte die Ergebnisse nicht kommentieren und betonte, sie seien nicht maßgeblich für die Politik.

Frattini versicherte, die EU habe Israel immer als ein Land gesehen, das fest in demokratischen Werten und Institutionen verankert sei. "Unsere Enttäuschung wird noch größer durch das volle Bewusstsein der Union, dass die israelische Bevölkerung hart von Terrorismus getroffen ist." Die EU betrachte Israel als unverzichtbaren Verhandlungspartner, um den Nahost-Friedensplan umzusetzen.

Reaktionen israelischer Politiker

Der israelische Außenminister Silwan Schalom spielte die Bedeutung der Umfrage herunter. Wie die Zeitung "Haaretz" berichtete, spiegelt sie nach seiner Ansicht nur wider, dass Israel in den europäischen Medien überproportional vorkommt. "Die von hier gesendeten Bilder haben eine Wirkung, aber wir sollten uns darüber nicht aufregen." Schalom distanzierte sich ungeachtet seiner Kritik an der Studie von Äußerungen des israelischen Jerusalem-Ministers Natan Scharansky.

Scharansky sieht die Umfrage als Beleg dafür, dass hinter politischer Kritik an Israel reiner Anti-Semitismus stehe. "Wie in der Vergangenheit, als Juden als der Satan und schuldig an allem Bösen der Welt beschrieben wurden, macht die aufgeklärte Welt von heute Israel für alle Krankheiten der Welt verantwortlich", hatte Scharansky erklärt. Schalom sagte dagegen der Zeitung "Haaretz", die Umfrage sei kein Beweis für Anti-Semitismus. Sie spiegele vielmehr wider, dass in den Medien über Israel mehr berichtet werde als über Iran oder Nord-Korea. (arn)