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Verfassung notfalls ohne die Sunniten?

22. August 2005

Nach wochenlangen zähen Verhandlungen haben sich zumindest die Schiiten und die Kurden im Irak auf einen Verfassungsentwurf geeinigt. Mit den Sunniten wird noch verhandelt - aber nicht mehr lange.

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Irakische Sunniten in einer MoscheeBild: AP


"Dieser Entwurf wird vorgelegt, gelesen und es wird darüber abgestimmt", sagte Dschawad al Maliki, der Leiter der schiitischen Delegation. Mit den Sunniten werde gegenwärtig noch über die Föderalismus-Frage verhandelt. Die irakische Nationalversammlung hat die Frist für die Vorlage der neuen Verfassung erneut um drei Tage verlängert. Das gab Parlamentspräsident Haschim al-Hassani in der Nacht zum Dienstag (23.8.) in Bagdad bekannt.

Die Sunniten lehnen als einzige Volksgruppe einen Föderalstaat ab. Im Parlament verfügen aber Kurden und Schiiten gemeinsam über eine Mehrheit. Die sunnitischen Mitglieder des Verfassungskonvents haben am Sonntag (21.8.) die USA und die Vereinten Nationen aufgerufen, eine Verabschiedung der Verfassung im Parlament gegen die Stimmen ihrer Volksgruppe zu verhindern. Sonst würde sich die politische Krise im Irak verschärfen, warnten sie.

USA forderten schnelle Einigung

Besonders strittig sind unter den Delegierten Fragen des Föderalismus, der Ölreserven und der Rolle des Islam. Die USA setzten in den vergangenen Tagen die kurdische Seite unter Druck, sie solle bei ihrer Forderung nach Selbstbestimmung, Ölrechten und einer säkular geprägten Verfassung Abstriche machen. Delegierte verschiedener Gruppen berichteten, US-Botschafter Zalmay Khalilzad habe mit schiitischen und kurdischen Politikern an Formulierungen gearbeitet, die den Sunniten eine Zustimmung erleichtern sollen. Die USA sehen in den Verfassungsberatungen ein wichtiges Indiz dafür, wie weit der Irak ohne militärische Unterstützung der USA in der Lage ist, die staatliche Einheit zu wahren und den drohenden Bürgerkrieg zu verhindern.

Der schiitische Parlamentsvizepräsident Hussain al-Schahristani sagte, er rechne im Parlament mit einer breiten Zustimmung, auch durch die Sunniten. Der irakische Vizepräsident Adil Abdul Mahdi äußerte sich ebenfalls zuversichtlich. Bei den Verhandlungen am Montag sei ein Durchbruch erzielt worden, zitierte ein schiitischer Sender den Vizepräsidenten. Ein hochrangiger Regierungsbeamter sagte der Nachrichtenagentur AP indes, die Vereinbarung werde bislang nur von Schiiten und Kurden getragen. Die Sunniten müssten erst noch überzeugt werden. Sie, die unter Saddam Hussein die Macht im Irak innehatten, hätten dem Entwurf noch nicht zugestimmt, so der irakische Regierungssprecher Leith Kubba gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN.

Was wird drinstehen?

In dem Entwurf wird der Irak als "republikanischer, parlamentarischer, demokratischer und föderaler" Staat beschrieben. Eine Definition dessen, was der Begriff "föderal" für den Irak konkret bedeutet, wird jedoch vermieden. Die fehlende Definition könnte als Kompromissangebot an die Sunniten gedacht sein, die mit Nachdruck gegen eine bundesstaatliche Ordnung des Landes eintreten. Insbesondere wenden sie sich gegen den Vorschlag eines schiitischen Bundesstaates im ölreichen Süden des Irak. Auch die Kurden treten dafür ein, ihre Freiheiten im Norden des Landes zu behalten.

Die sunnitischen Unterhändler widersetzen sich vor allem deshalb der geplanten föderalen Struktur, weil sie um die Profite aus dem Ölgeschäft fürchten. Die meisten Ölvorkommen befinden sich im kurdischen Norden und im schiitischen Süden des Landes. Zur umstrittenen Ölfrage heißt es in dem Entwurf, dass die natürlichen Reichtümer des Landes "der Gesamtheit des irakischen Volkes gehören". Ihre Aufteilung solle im Einvernehmen zwischen der Zentralregierung und den Regionen erfolgen. Der föderalen Struktur hätten Kurden und Schiiten zugestimmt, sagte Maliki. Der schiitische Unterhänder Dschalaleddin el Saghir erklärte jedoch, der Entwurf sichere den Kurden nicht das Recht auf Selbstbestimmung zu. Zum Islam heiße es darin, dass keine Gesetze verabschiedet werden dürften, die ihm zuwiderliefen. Diese Formulierung gelte auch für die Menschenrechte.

Entwurf kann noch zu Fall kommen

Zwar können die Schiiten und die Kurden mit ihrer Mehrheit im Parlament die Verfassung verabschieden, doch die Verfassung muss nicht nur von der Nationalversammlung, sondern zusätzlich in einer für den 15. Oktober angesetzten Volksabstimmung bestätigt werden. Dabei könnten die Sunniten aufgrund einer Sonderregelung die Verfassung zu Fall bringen: Sobald in drei der 18 irakischen Provinzen mindestens zwei Drittel der Wähler gegen die Verfassung stimmen, wäre sie gescheitert. Die Sunniten stellen in mindestens vier Provinzen die Mehrheit.

Der Verfassungsentwurf hatte eigentlich schon am 15. August im Parlament vorliegen sollen. Wegen der Streitigkeiten hatte das irakische Übergangsparlament die Frist für die Fertigstellung um eine Woche verlängert. Der weitere Zeitplan sieht für Oktober besagtes Verfassungsreferendum sowie für Dezember die Wahl des neuen Parlaments vor. (arn)