Verrostetes Erbe: Sozialismus in Afrika
Afrikas Beziehungen zu sozialistischen Ländern sind Thema einer Ausstellung im Bayreuther Iwalewahaus. "Things Fall Apart" blickt von den Anfängen der Sowjetunion über den Zerfall des Ostblocks bis in die Gegenwart.
Alte Fesseln - neue Vision
Während sich afrikanische Länder Ende der 1950er Jahre von ihren kolonialen Fesseln befreiten, waren die ehemaligen Kolonialmächte bereits tief in den Kalten Krieg verstrickt - einen Kampf um Ideologien, der auch auf dem afrikanischen Kontinent ausgetragen wurde. Mit Slogans wie "Afrika kämpft - Afrika gewinnt" warb die Sowjetunion um die Gunst der jungen Staaten.
Eine Utopie setzt Rost an
Die Bruderliebe zwischen der Sowjetunion und afrikanischen Staaten dauerte nur ein paar Jahrzehnte. Doch ihre Spuren reichen bis in die Gegenwart. Der angolanische Fotograf Kiluanji Kia Henda spürte 2006 die Karl Marx auf einem Schiffsfriedhof im Norden Luandas auf. Sie war Teil einer Fischereiflotte, die die Sowjetunion an Angola spendete und die nur wenige Jahre in Betrieb war.
Stellvertreterkrieg auf afrikanischem Boden
An die sozialistische Geschichte Angolas erinnern die verblassten Wandbilder von Leonid Breschnew, Fidel Castro und Agostinho Neto (Mitte), dem ersten Präsidenten Angolas, dokumentiert von der südafrikanischen Fotografin Jo Ractliffe. Im angolanischen Bürgerkrieg stellte Kuba Truppen, die Sowjetunion lieferte Waffen für Neto. Auf der Gegenseite standen Waffen und Gelder aus Südafrika und den USA.
Ehrung für eine Ikone des Anti-Imperialismus
Auch Patrice Lumumba, der erste Premierminister der Demokratischen Republik Kongo, sympathisierte mit dem Sozialismus. In einer Krise des jungen Staats bat er die Sowjetunion um Hilfe. Darauf wurde er entmachtet und später unter den Augen des belgischen Geheimdienstes ermordet. Der Ikone des afrikanischen Befreiungskampfes setzte die UdSSR mit einer eigenen Briefmarke ein Denkmal.
Eingeladen, aber nicht immer willkommen
Moskau holte gezielt afrikanische Studenten ins Land. Sie studierten etwa an der "Patrice-Lumumba-Universität" in der Hauptstadt - gelockt oft mehr von den Stipendien als von der Ideologie. Doch die Studenten waren immer wieder mit Rassismus konfrontiert - und demonstrierten. Ein Protest afrikanischer Studierender Ende der 1950er Jahre war die allererste öffentliche Demonstration nach Stalin.
Breschnew: Einsatz auf afrikanischem Boden
Die Sowjetunion scheute keine Kosten und Mühen, um ihre Ideologie in afrikanische Länder zu tragen. Ein Besuch von Leonid Breschnew in Guinea 1957 wurde auf Film gebannt. Der Dokumentarfilmer Alexander Markov spürt dieser Propaganda im Film mit einer Dokumentation nach, die 2015 in der Auswahl der Berlinale war.
Vereint im Weltall
Die Propaganda in Ton und Bild ließ sich leicht transportieren und war daher ein besonders beliebtes Mittel. Mit stereotypen Darstellungen von Kindern aus drei Kontinenten sollte ein Fortschritt gezeigt werden, der sich nur gemeinsam erreichen lässt. Für viele Kinder mag dies eine Motivation gewesen sein: Die Hoffnung, an der gemeinsamen Reise ins Weltall teilnehmen zu können.
Jubel für den Sozialismus
Äthiopien als Sitz der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) galt als Schlüssel zu Afrika. Das Militärregime unter Mengistu Hailemariam hatte der UdSSR viel zu verdanken. Besucher am OAU-Hauptsitz wurden von einem überlebensgroßen Lenin begrüßt. Ein Marx-Denkmal, das Erich Honecker zum 10. Jubiläum der Revolution (Bild) einweihte, steht noch heute im Park der Universität von Addis Abeba.
Erbe einer sozialistischen Zeit
Bis heute bedienen sich afrikanische Herrscher einer Ästhetik des Sozialismus. Dieses Bronzedenkmal mit Namen "Afrikanische Wiedergeburt" ließ sich 2010 Senegals Präsident Abdoulaye Wade erbauen. Entworfen und umgesetzt von einem nordkoreanischen Unternehmen, das zuerst Addis Abeba und dann mehr als 20 weitere afrikanische Städte mit gigantischen Bauwerken versorgte.
Ästhetik des sozialistischen Realismus
Botswanas Präsident Festus Mogae weihte 2005 diese Dreier-Installation ein. Sie zeigt drei Chiefs ("Three Dikgosi"), die Wegbereiter des heutigen Staates waren. Der Südkoreaner Onejoon Che bildet diese totalitäre Ästhetik in Modellen und Fotografien ab - eine Ästhetik des sozialistischen Realismus in Afrika, die auch heute noch bei vielen afrikanischen Machthabern Anklang findet.
Was bleibt nach dem Spektakel
Burkina Faso galt als letzter Versuch, einen afrikanischen Sozialismus zu etablieren. In Ouagadougou, der Hauptstadt des afrikanischen Films, zeigten auch Cineasten ihre Filme, die wie Ousmane Sembène selbst in Moskau studiert hatten. Der sozialistische Offizier Thomas Sankara war ein wichtiger Förderer des Filmfestivals FESPACO. Bei Fotograf Isaac Julien (2005) bleibt das Kino leer.
Bald in Afrika?
Konzipiert wurde die die Wanderausstellung "Things Fall Apart" in London und Bayreuth, wo sie noch bis Sonntag (18.09.2016) zu sehen ist. Danach gastiert sie ab Dezember zwei Monate in Budapest. Und dann? Das Bayreuther Iwalewahaus ist mit einigen Goethe-Instituten im Gespräch über mögliche Stationen in Afrika.