Veteranen-Tag: Wertschätzung für deutsche Soldaten
25. April 2024Johannes Arlt, Bundestagsabgeordneter der SPD, hat die oft geringe Anerkennung der Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft am eigenen Leib erfahren. Zwischen 2014 und 2019 nahm Arlt als Soldat an sieben Auslandseinsätzen der Bundeswehr teil, unter anderem in Afghanistan und Mali. Er sagt über das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee und ihren Soldaten: "Wir sind nicht sehr empathisch. Wir haben uns lange für diese Menschen nicht sonderlich interessiert." Soldaten seien gelobt worden, so Arlt, wenn sie im Inland halfen, bei Hochwasser-Katastrophen etwa. Aber ihr Einsatz im Ausland sei vielen Menschen eher egal.
Eine Initiative der Regierungsfraktionen und der CDU-Opposition
Arlt will das jetzt ändern: Mit Kolleginnen und Kollegen der beiden anderen Koalitionsparteien, den Grünen und der FDP, und auch mit der CDU-Opposition hat er ein Konzept für einen "Veteranen-Tag" vorgelegt, das der Bundestag jetzt beschlossen hat. Jedes Jahr am 15. Juni soll jetzt der Veteranen gedacht werden. Und am 15. Mai, einen Monat vorher, soll es eine zentrale Feier in Berlin geben, aber auch bundesweit zahlreiche Veranstaltungen.
Bei einem Gedenktag allein wollen es die Abgeordneten aber nicht bewenden lassen. Die Bundesregierung wird außerdem aufgefordert, für eine bessere Rehabilitation traumatisierter Soldaten zu sorgen. Und soll sich auch besser um die Belastungen ihrer Angehörigen kümmern. In 80 Prozent der Familien, aus denen traumatisierte Soldaten stammen, kommt es in der Folge zu psychischen Belastungen, weiß Arlt zu berichten.
Veteran Egger: Es brauchte das Signal der Politik
Veteranen wie der frühere Oberstabsfeldwebel Andreas Egger haben lange auf so eine Initiative der Politik gewartet. Er sagte in der ARD: "Es ist tatsächlich so, dass die Gesellschaft das bisher gar nicht wahrnehmen konnte in den vergangenen Jahren, weil dazu noch nie ein Zeichen der Politik kam. Ein Zeichen, dass unsere Bundeswehr in speziellen Auslandseinsätzen und mit besonderen Aufgaben betraut ist. Wenn ich das nicht in die Gesellschaft trage als Politik, dann kann die Gesellschaft auch nicht teilhaben und anerkennen, was wir tun."
Eigentlich eine alte Idee
Ganz neu ist die Idee eines speziellen Tages für frühere Soldaten nicht: Schon vor zwölf Jahren sprach sich der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) dafür aus. Aber kaum jemand wollte ihm damals folgen. Jetzt ist das anders, wie Kerstin Vieregge von der konservativen CDU sagt: Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei die Aufmerksamkeit für die Bundeswehr gestiegen, und die "Invictus Games", also der internationale Wettkampf für Soldaten, die Verletzungen im Einsatz erlitten haben, wurden im vergangenen September in Düsseldorf ausgetragen.
In Anwesenheit von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Und Vieregge kennt noch einen weiteren Grund, warum jetzt der Zeitpunkt für einen Veteranentag auch in Deutschland gekommen ist: "Nach dem Ende des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr gab es unter den Veteranen noch einmal eine Bewegung, die sich fragte: Was hat uns das gebracht und wie geht man mit uns Soldaten um, die dort gewesen sind?" Fast 20 Jahre lang war die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz, als Kampftruppe und als Ausbildungsverband. 59 Soldaten starben dabei.
10 Millionen Veteranen in Deutschland
Auf zehn Millionen beziffern die Abgeordneten die Zahl der Veteranen in Deutschland. Das liegt auch an der sehr offenen Definition, wer sich denn als Veteran bezeichnen darf: Nach dem Bundestags-Beschluss sind das alle Soldaten, die mindestens sechs Monate bei der Truppe waren und ehrenhaft entlassen wurden. Seit Gründung der Bundeswehr im November 1955. Dazu gehören auch die Angehörigen der früheren "Nationalen Volksarmee" (NVA) der DDR, die nach der Deutschen Einheit in die gesamtdeutsche Truppe übernommen wurden. Dieser Punkt zeigt aber auch, wie schwer sich Deutschland mit seiner komplizierten militärischen Geschichte tut: Angehörige der NVA, die nur in der DDR und nicht mehr im geeinten Deutschland dienten, sollen künftig nicht als Veteranen gelten.
Ein Heldentag soll das Veteranen-Gedenken nicht werden
Und noch etwas ist den Bundestagsmitgliedern wichtig: Der Veteranentag soll keine Heroisierung betreiben. Oder, wie Merle Spellerberg von der Grünen sagt: "Wir wollen keine Volkshelden aus den Menschen machen. Und an einen zentralen Soldatenfriedhof denken wir auch nicht." Um Heldentum geht es auch Andreas Eggert nicht. Er sagt: "Ein Veteranentag bedeutet auch für mich persönlich Anerkennung und Wertschätzung unseres Berufs und vor allem: Gesehen werden. Also dass man die Besonderheit dieses Berufes in der Gesellschaft sieht."
Woanders hat das Gedenken an Soldaten Tradition
Soldatenfriedhöfe gibt es aber woanders schon, etwa in den USA. Berühmt ist der nationale Friedhof in Arlington am Rande der Hauptstadt Washington D.C. Die USA haben auch längst einen Tag für ihre Veteranen, es ist der "Veterans Day" am 11. November, dem Tag des Waffenstillstandes im Ersten Weltkrieg. Auch in Großbritannien gilt der 11. November als "Remembrance Day", der von den meisten Commonwealth-Staaten beibehalten wird. Und in Belgien und Frankreich ist der 11. November ein arbeitsfreier Tag. Der 15. Juni wurde nun in Deutschland vor allem auf Wunsch der Veteranenverbände gewählt. Im Sommer hoffen die früheren und aktiven Soldaten auf mehr Teilnehmer an ihrem Gedenktag als im Winter.