Wolfsburg droht der Abstieg
16. Mai 2018"Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor", so sagt es der arme Faust in Goethes gleichnamiger Tragödie, trist realisierend, dass ihm all sein theoretisches Wissen nicht dabei helfen kann, die Menschheit zu verstehen. So ähnlich dürfte sich der VfL Wolfsburg fühlen, der, trotz Trainerwechsel und anvisiertem Umbruch, dem jüngst Sportchef Olaf Rebbe zu Opfer fiel, abermals in der Relegation um die 1. Liga steht. Am Donnerstag und am kommenden Montag (Anstoß jeweils 20:30 Uhr MESZ, ab 20.15 Uhr im DW-Liveticker) geht es für den VfL in zwei Spielen erneut darum, den drohenden Abstieg abzuwenden. Im vergangenen Jahr konnte man die Krisensaison einigermaßen versöhnlich abschließen, als man den Lokalrivalen Eintracht Braunschweig in den Relegationsspielen zwei Mal schlagen konnte. Fraglich, ob es dieses Mal wieder gelingt, denn mit Holstein Kiel wartet eine extrem eingeschworene Mannschaft auf die zuletzt so zerrüttet auftretenden Wolfsburger.
Kiel strotzt vor Selbstbewusstsein
Gerade einmal vier Punkte konnte die Mannschaft von Trainer Bruno Labbadia in den letzten fünf Bundesliga-Partien sammeln. Hätten die "Wölfe" nicht am letzten Spieltag den bereits abgestiegenen 1. FC Köln mit 4:1 besiegt, wären sie anstelle des HSV abgestiegen. Der Sieg gegen die Kölner war übrigens der einzige Heimsieg im Jahr 2018 für den VfL Wolfsburg. Die Kieler hingegen spielten eine beeindruckende Zweitliga-Saison und könnten mit dem Aufstieg den sensationellen direkten Durchmarsch aus der 3. Liga ins Oberhaus des deutschen Fußballs schaffen. Als offensivstärkstes Team der zweiten Liga wird die Mannschaft von Coach Markus Anfang mit vollem Selbstbewusstsein im ersten Relegationsspiel antreten. Anfang, der in der kommenden Saison den 1. FC Köln trainieren wird, möchte den Kielern mit dem Aufstieg gerne noch ein Abschiedsgeschenk überreichen: "Wir wollen Ergebnisse erzielen, damit wir etwas Historisches schaffen." Die "Störche", wie die Kieler oft bezeichnet werden, wären damit die erste Mannschaft aus dem Bundesland Schleswig-Holstein, die in die Bundesliga einzieht.
Stürmerstar Origi kennt Holstein Kiel nicht
Der VfL sollte also gewarnt sein. Tatsächlich aber sorgte Stürmer Divock Origi am vergangenen Samstag für Aufsehen, als er im ZDF-Sportstudio zugab, bisher noch nie etwas von Holstein Kiel gehört zu haben. Mittelfeldspieler Joshua Guilavogui gab an, Marvin Ducksch, mit 18 Treffern immerhin Torschützenkönig der 2. Liga, nicht zu kennen. Aussagen, die auch die Gegensätze der beiden Mannschaft verdeutlichen: "Das zeigt, was für verschiedene Welten aufeinandertreffen. Hier Spieler, die bei Weltmeisterschaften spielen oder von Liverpool kommen. Und dann wir, die den Fußball von einer etwas anderen Seite kennen", sagte Holstein-Kapitän Rafael Czichos.
Abstieg wäre eine Blamage
Die Statistik spricht nicht unbedingt für die Störche. Seit Wiedereinführung der Relegation 2009 konnte sich nur zweimal der Zweitligist durchsetzen. Sollte Kiel der Aufstieg tatsächlich gelingen, dürfte der Verein seine Heimspiele entgegen der anfänglichen Aussage der DFL nun doch im eigenen Stadion austragen. Möglich macht das eine zusätzliche Tribüne, die das Fassungsvermögen auf 15.000 Plätze erhöhen soll.
Für den VfL wäre der Abstieg eine absolute Blamage. Der Personaletat der Wolfsburger ist mit 60 Millionen Euro rund zehnmal so hoch wie der des Gegners. Für die Wölfe wäre es der erste Abstieg nach 21 Jahren in der 1. Liga.