VfL Wolfsburg sieht VW-Krise gelassen
23. September 2015Das Wortspiel lag nahe: "Wolfsburger Totalschaden" titelten mehrere Medien nach der herben 1:5-Pleite des VfL Wolfsburg bei den Bayern. Im Alleingang hatte Torjäger Robert Lewandowski den Vizemeister mit fünf Toren binnen neun Minuten vom Platz gefegt. Der VfL gedemütigt just in dem Moment, in dem der Sponsor Volkswagen in einer tiefen Krise steckt. Sportlich kann man dennoch nicht von einem Totalschaden sprechen, denn Wolfsburg steht auch nach der klaren Niederlage weiter auf einem Champions-League-Platz. Aber was bedeutet die VW-Krise um manipulierte Abgaswerte perspektivisch für den Verein, der maßgeblich von den Zuwendungen des Autokonzerns abhängt?
"Der VfL hat eine große Bedeutung für VW"
In Wolfsburg spielt man diese kritische Frage herunter: VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs befürchtet keine negativen Auswirkungen für den Fußball-Bundesligisten im Abgas-Skandal. Der Vorstand des Auto-Riesens habe dem Bundesligisten den Rücken gestärkt, berichtete Allofs. Er habe ein Gespräch mit VfL-Aufsichtsratchef und VW-Vorstand Francisco Javier Garcia Sanz gehabt. Mögliche Konsequenzen der Talfahrt der VW-Aktie sowie der Vertrauenskrise für das Engagement des Konzerns bei der hundertprozentigen Tochter sei kein Thema gewesen, so Allofs. "Das zeigt, dass der VfL eine große Bedeutung für VW hat und dass eine Krise bei VW nicht unmittelbare Auswirkungen für den VfL hat", sagte Allofs, der bei Fußball-Fan Winterkorn Wertschätzung genoss und von diesem bisher mit erheblichen Mitteln ausgestattet wurde: Zwischen 80 und gut 100 Millionen Euro soll der VW-Konzern in der jüngsten Vergangenheit nach Schätzungen jährlich in den Club investiert haben. Hinzu kommt noch Geld von Zuliefer-Unternehmen des Autokonzerns, die ohne das VW-Engagement wohl kaum Sponsoren des VfL Wolfsburg wären. Denn: Alleinige Gesellschafterin der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH ist die Volkswagen AG. Der Verein für Leibesübungen Wolfsburg ist gewissermaßen eine Marketing-Maßnahme von Volkswagen, die dem Konzern viele TV-Minuten während Fußball-Übertragungen sichert.
"Bei dem Engagement von VW handelt es sich um eine strategische Ausrichtung. Und dieses Engagement hat einen gewissen Wert, der sich auch nicht so schnell ändert", glaubt Klaus Allofs und sieht den VfL deshalb als krisensicheres Investment des Autoherstellers. Mit dem Rücktritt Martin Winterkorns stellt sich nun aber die Frage, ob die neue Führung der VW AG den Kurs fortsetzt. Der 68-jährige Winterkorn spielte zu Jugendzeiten als Torwart des schwäbischen Amateurvereins TSV Münchingen und gilt als großer Fußball-Fan. Er saß bisher auch beim FC Bayern München im Aufsichtsrat und verfolgte sowohl bei den Bayern als auch in Wolfsburg auf der VIP-Tribüne im Stadion.
Der VW-Konzern sponsert die halbe Bundesliga
Vieles spricht in der Tat für eine Fortsetzung des Engagements. Denn der Fußball ist in Deutschland konkurrenzlos als massentaugliche Werbeplattform. Die Bundesliga, der DFB-Pokal sowie die Champions League erzielen Traumquoten, die weder im Sport noch in der Unterhaltungsindustrie erreicht werden. Gemessen am Mediawert, also die Umrechnung von Medienpräsenz in Geld, macht VW auch mit Investitionen im dreistelligen Millionenbereich in den sportlich glänzend aufgestellten VfL Wolfsburg keinen Fehler. Und das Investment ist strategisch gestreut: Insgesamt zehn Bundesligisten und sechs Zweitligisten werden von den VW-Marken VW, Audi, MAN, Seat und VW Nutzfahrzeuge gesponsert. Audi ist sogar mit 8,33 Prozent am deutschen Rekordmeister Bayern München und mit 19,94 Prozent am FC Ingolstadt beteiligt.
"Die Bundesliga ist für Volkswagen sehr wichtig. Wir fühlen uns hier zu Hause. Der Erfolg gibt uns recht", sagte Stephan Grühsem Anfang des Jahres der "FAZ" und machte in seiner Funktion als Leiter der VW-Kommunikation und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beim VfL Wolfsburg die Bedeutung des Engagements klar.
Wer folgt auf Fußballfan Winterkorn?
Müßig zu erwähnen, dass derzeit kein anderer Konzern so viel Geld in den deutschen Fußball steckt wie Volkswagen. Allerdings muss das nicht so bleiben. So berichtete die "Bild"-Zeitung von VW-Plänen die Zuwendungen an den VfL Wolfsburg herunterzufahren. Der im April zurückgetretene VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch war dem Vernehmen nach ein Gegner des großflächigen Fußballsponsorings unter Winterkorn. Und was dessen Nachfolger mit dem Fußball-Sponsoring vor hat, steht noch in den Sternen.
"Im Fußball", sagte Klaus Allofs mit Blick auf die Niederlage bei den Bayern, "darf man sich nicht zu sicher sein." Vielleicht gilt das in Zeiten eines arg in Turbulenzen geratenen VW-Konzerns sogar für die Millionen des Hauptsponsors.