Geht AfD und Judentum zusammen?
25. September 2018Es regt sich Widerstand gegen die Ankündigung der Alternative für Deutschland, am 7.Oktober eine parteinahe Vereinigung für "Juden in der AfD" zu gründen. Levi Salomon, Geschäftsführer des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA), hält die Initiative für einen "Werbetrick", der kaum verfangen dürfte. Im Gespräch mit der DW sagt er: "Die AfD kann nie ein Verbündeter für jüdische Menschen sein". Den Grund dafür sieht Salomon im "völkisch-nationalistischen Markenkern" der Rechtspopulisten, der mal versteckt, mal öffentlichkeitswirksam zur Schau gestellt werde.
Für Gauland ist die NS-Zeit nur ein "Vogelschiss"
Er erwähnt in diesem Zusammenhang die Rede des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, der kritisierte, dass Deutschland mit dem Berliner Holocaust-Mahnmal ein "Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat". Höcke verband damit die Forderung nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad", was Empörung unter den jüdischen Gemeinden in Deutschland auslöste. Und auch das Zitat des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, der die Nazi-Jahre als einen "Vogelschiss" in den "tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte" bezeichnete, hält Salomon für einen Beleg dieser völkisch-nationalistischen Grundhaltung, die Juden ablehnen müssten. Auch in subtiler Form agiere die AfD antisemitisch, sagt Salomon. Er verweist auf Veranstaltungen in diesem Sommer, bei denen sich das Spitzenpersonal der Partei verbal mit Israel solidarisierte und am Mikrofon wortreich gegen Antisemitismus ausspreche. "Auf genau denselben Veranstaltungen liegen aber Bücher rechtsextremer Verlage aus, die den Holocaust leugnen und die geschichtliche Schuld Deutschlands relativieren", kritisiert Salomon. Juden könnten bei solchen Parteien nicht mitmachen.
Der Islam soll als gemeinsames Feindbild herhalten
Eine Gruppe von mindestens 20 Gründungsmitgliedern scheint derlei Kritik allerdings nicht weiter zu stören. In knapp zwei Wochen soll die Gründungsfeier im hessischen Offenbach für das jüdische Bündnis in der AfD sein. Beatrix von Storch, Mitglied im AfD-Bundesvorstand, ließ auf Nachfrage wissen, dass sie sich sehr über die Initiative der jüdischen Parteimitglieder freue. "Nach den Christen haben jetzt auch die Juden in der AfD eine Stimme und Ansprechpartner." Zudem zeige es, wie offen die Partei für den Dialog sei und wie vehement sie sich für den "Erhalt unseres jüdisch-christlichen Erbes" einsetze.
Dimitri Schulz, AfD-Parteimitglied aus Hessen und selbsterklärtes Gründungsmitglied, veröffentlichte eine "Grundsatzerklärung", die Ziel und Zweck der Initiative erläuterte. Schulz schreibt in dem zweiseitigen Pamphlet, dass das jüdische AfD-Bündnis den "muslimischen Judenhass" thematisieren müsse, weil dieser "unstrittig und untrennbar mit der Entstehung des Islam verbunden" sei. Publizist Michel Friedman, früher Funktionär beim Zentralrat der Juden, findet angesichts dieser rassistischen Zuschreibungen von Eigenschaften und Bevölkerungsgruppen deutliche Worte: "Niemand sollte in die AfD eintreten, ein Jude erst recht nicht."
Lindner: "Eine solche Plattform kann nur ein Feigenblatt sein"
Der Parteichef der Liberalen, Christian Lindner, sagt im Gespräch mit der DW: "Die AfD hat in den letzten Jahren keine klare Grenzlinie ziehen können zum Antisemitismus." Immer wieder habe es einschlägige Ereignisse und Debatten gegeben, darunter Provokationen in Gedenkstätten. "Jetzt eine solche Plattform zu gründen kann nur den Charakter eines Feigenblatts haben", sagt Lindner und empfiehlt jüdischen Bürgern, sich darauf nicht einzulassen. Der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour argumentiert ähnlich. Im Gespräch mit der DW nimmt er Bezug auf die Gauland-Äußerung. "Ein Etikett mit der Aufschrift 'Toleranz und Geschichtsbewusstsein' auf einem Haufen Vogelschiss ändert nichts am Vogelschiss."
Russischstämmige Juden als Motor der Initiative?
Avancen von der AfD-Spitze in Richtung Judentum gab es auch schon in der Vergangenheit. Die Ex-Parteichefin der AfD, Frauke Petry, verkündete in einem Zeitungsinterview, dass die AfD "einer der wenigen politischen Garanten jüdischen Lebens auch in Zeiten illegaler antisemitischer Migration nach Deutschland" sei. Und in der Tat, es gibt in den Reihen der AfD einige Parteimitglieder, die sich zum jüdischen Glauben bekennen. Die Wochenzeitung "Die Zeit" zählte allein im baden-württembergischen Landesverband der Partei vier jüdische Mitglieder. Eines der Gründungsmitglieder der Gruppe "Juden in der AfD" hält eine Mitgliedszahl von 1400 Menschen für möglich. Auffällig ist dabei, dass bislang vor allem russischstämmige Juden in der AfD medial in Erscheinung getreten sind. Ist diese Gruppe also auch der Motor der Initiative?
In einem Interview mit der Russischen Redaktion der DW spricht ein Mitinitiator der Gruppe über seine Gründe, mitzumachen. Der Jude mit Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion will bis zur Gründungsversammlung allerdings noch anonym bleiben. "Wir sehen in dem Wunsch der AfD danach, dass Deutschland wieder eine selbstbewusste Nation werden möge, durchaus keinen Widerspruch zu jüdischen Interessen", gibt er zu Protokoll. Dass vor allem russischstämmige Juden zur AfD drängten, bestreitet er. Rund die Hälfte der 20 Gründungsmitglieder der AfD-Parteigruppe seien Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Da rund Dreiviertel aller Juden hierzulande aus der ehemaligen Sowjetunion stammten, sei das osteuropäische Judentum hier aber nicht überrepräsentiert, sagt das AfD-Mitglied, das in Süddeutschland lebt.
Salomon: "Sie brauchen diese Legitimation, aber sie kriegen sie nicht"
Dass Juden mit Wurzeln in der ehemaligen UdSSR für AfD-Botschaften empfänglicher seien, hält Levi Salomon allerdings für Unsinn. Der Gründer des Jüdischen Forums kam 1991 aus der ehemaligen Sowjetunion ins Land und gründete 2008 den Verein, der seitdem Opfern von rassistischer und religiöser Verfolgung hilft. "Ich bin Teil dieser Gruppe, und für mich ist die AfD keine Option." Salomon rät den Medien, die Bewegung nicht zu überschätzen. Es handele sich um eine Handvoll Menschen, eine kleine Sekte, die viel zu viel Aufmerksamkeit erhalte. Dass gerade Rechtspopulisten immer wieder Zugang zur jüdischen Gemeinschaft suchen, erklärt er sich mit deren Streben, damit Akzeptanz und Anerkennung erhaschen. "Sie brauchen diese Legitimation, aber sie kriegen sie nicht."