Viele Ideen für bezahlbare Wohnungen
20. September 2018Die Wohnungsknappheit beeinflusst auch direkt die Kosten - Wohnen in Deutschland ist teuer geworden. 859 Euro hat ein durchschnittlicher deutscher Haushalt 2015 für Wohnen, Energie und Instandhaltungsarbeiten ausgegeben - mehr als ein Drittel seines gesamten Ausgabenbudgets. Alleinstehende mussten durchschnittlich sogar mehr als 40 Prozent ihres Gesamtbudgets für das Wohnen aufbringen.
Vor dem am Freitag stattfindenden Wohngipfel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel daher das Ziel der Bundesregierung bekräftigt, noch in dieser Legislaturperiode 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. "Wir brauchen in Deutschland dringend mehr Wohnraum", sagte Merkel. SPD-Chefin Andrea Nahles sprach gar von der "neuen sozialen Frage".
Eine Idee der Bundesregierung sind Steueranreize für Hausbauer, von denen sie sich eine Belebung des Mietwohnungsbaus erhofft. Private Investoren sollen über vier Jahre jeweils fünf Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten einer neuen Mietwohnung zusätzlich bei der Steuer geltend machen können. Zusammen mit der üblichen jährlichen Abschreibung von zwei Prozent können sie somit in den ersten vier Jahren 28 Prozent bei der Steuer absetzen. Voraussetzung ist, dass die Wohnung zehn Jahre vermietet wird. Eine Mietenobergrenze für die geförderten Wohnungen ist in dem Gesetzentwurf zunächst nicht vorgesehen.
Förderung soll vorerst bis 2022 gelten
Die Förderung gilt nur für Bauanträge oder Bauanzeigen zwischen September 2018 und Ende 2021. Luxus- und Ferienwohnungen sollen nicht gefördert werden: In den Genuss der Steuervorteile kommen Investoren nur, wenn die Anschaffungs- und Herstellungskosten 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche nicht übersteigen.
"Die Idee ist erst einmal grundsätzlich richtig", sagt Kai Warnecke, Präsident von Haus und Grund Deutschland, der größten deutschen Interessengemeinschaft von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümern. "Wir würden uns freuen, wenn das Ganze nicht nur für den Wohnungsneubau auf der grünen Wiese gelten würde, sondern zum Beispiel auch für den Dachgeschossausbau, um mehr Wohnraum gerade in den Ballungszentren zu schaffen", sagt er im Gespräch mit der DW. Auch die Grenze von 3000 Euro pro Quadratmeter ist dem Interessenvertreter zu niedrig. Aufgrund vieler Bauvorschriften, Vorgaben, Lohn- und Preissteigerungen sei es in deutschen Großstädten praktisch unmöglich, für diesen Preis neu zu bauen, sagt er - "auch nicht die einfachsten Wohnungen."
Auch Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, findet die Idee steuerlicher Anreize grundsätzlich gut. "Wenn aber die steuerliche Förderung nicht mit einer Gegenleistung der Investoren verbunden wird - es also keine Mietobergrenzen für diesen Wohnungsneubau gibt, wird er immer die höchste Miete fordern, die der Markt hergibt", gibt Ropertz zu bedenken. Es kämen allenfalls weitere teure Wohnungen an den Markt, aber keine im mittleren und unteren Preissegment. "Damit würden sich letztlich nur die Renditen der Hausbauer erhöhen", so Ropertz.
Bauen wird immer teurer
Doch diese Renditen sind in den vergangenen Jahren stark gesunken. Wie der sogenannte "Erschwinglichkeitsindex" des Immobilienverbands Deutschland zeigt, sind Immobilien immer schwerer zu bezahlen. Das liege vor allem an den stetig kletternden Preisen und den steigenden Kosten für Hypothekendarlehen. Eine Wohnung zum Zweck der Vermietung zu kaufen wird so immer unattraktiver. Der SPD-Vorschlag, die Mieterhöhungen an die Inflationsrate zu koppeln, sorgt bei den privaten Investoren für zusätzlichen Verdruss. "80 Prozent des Wohnraums in Deutschland sind im Besitz von Privatleuten. Das sind Einzelpersonen mit einzelnen Objekten. Diese liefern die Wohnraumversorgung in Deutschland", so Kai Warnecke.
Er fordert für einen schnellen Wohnungsbau das Aufweichen strenger Vorschriften und nennt als Beispiel den Dachgeschossausbau. "Für Dachgeschosse gilt ein erhöhter Brandschutz, aber nicht weil es dort besonders unsicher wäre, sondern weil die Leitern der Feuerwehrfahrzeuge zu kurz sind", sagt er. Würde man Fahrzeuge mit ausreichend langen Leitern bereitstellen, könnte der normale Brandschutz gelten und der Ausbau von Dachgeschossen wäre günstiger, erklärt Warnecke.
Zahl der Sozialwohnungen schrumpft seit 20 Jahren
Aber der Dachgeschossausbau allein wird die Wohnungsknappheit in Deutschland nicht beenden. Der Deutsche Mieterbund denkt größer. "Bezahlbarer Wohnraum entsteht, wenn wieder mehr Sozialwohnungen gebaut werden", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund und nennt konkrete Zahlen: Im vergangenen Jahr seien in ganz Deutschland 26.000 neue Sozialwohnungen auf den Markt gekommen. "Das ist eine absolut lächerliche Zahl, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig etwa 50.000 bis 60.000 Sozialwohnungen aus den Mietpreisbindungen laufen", sagt er. Das bedeute, dass der Bestand an Sozialwohnungen schrumpfe in Deutschland - und das schon seit 20 Jahren. Mittlerweile gebe es in ganz Deutschland nur noch 1,25 Millionen Sozialwohnungen. "Hier muss deutlich mehr gefördert werden als bisher. Und hier fehlt bisher die große Erkenntnis der Bundesregierung", so Ropertz.
Unterstützt wird die Forderung des Deutschen Mieterbunds durch eine aktuelle Studie von Soziologen der Berliner Humboldt-Universität. Sie kommt zum Ergebnis, dass Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau und Wohngeld "nur einen sehr eingeschränkten Beitrag" zur Linderung der Wohnungsnot in Großstädten liefern. Das liege daran, dass ausgerechnet in den sozialen Wohnungsbau als wirkungsvollstes Instrument zu wenig Geld gesteckt werde.
Bei gleichbleibendem Förderumfang würde es laut Studie in den zehn größten deutschen Städten rund 185 Jahre dauern, bis die derzeit bestehende Lücke an günstigen Wohnungen geschlossen wäre. Aktuell investiert der Staat rund zwei Milliarden Euro jährlich in Sozialwohnungen. Auf der anderen Seite gibt der Staat zwei Milliarden Euro für Wohngeld aus und übernimmt Wohnkosten in Höhe von 15 Milliarden Euro für Hartz-IV-Empfänger. Studienautor Andrej Holm kritisiert, dass dieses Geld zum Großteil an kommerzielle Vermieter fließt. Das könne man als "Wirtschaftsförderung" für private Vermieter verstehen.
Das sieht der Vertreter der Haus- und Wohnungseigentümer anders. "Wir wollen nicht, dass Menschen ihre Wohnung verlieren oder umziehen müssen, wenn sie einmal in eine finanzielle Schieflage geraten", sagt Warnecke. Deshalb sei es richtig, wenn man das Wohngeld weiter aufstocke. Menschen könnten in ihrer gewohnten Umgebung in ihren sozialen Lebensräumen bleiben und sich dort eine neue Arbeit suchen.