Google gegen Microsoft
22. Juni 2007DW-WORLD.DE: Microsoft war viele Jahre Alleinherrscher in der Computer- und Internet-Welt: mit Betriebssystemen, Bürosoftware, Internetbrowser. Google ist in diese Märkte vorgestoßen und wir sehen einen Kampf der IT-Giganten. Wer wird den für sich entscheiden?
Marcel Machill: Derjenige wird diesen Kampf für sich entscheiden, der auf lange Sicht über die bessere Suchmaschinen-Technologie verfügt. Microsoft hat den Suchmaschinen-Markt etwas verschlafen. Google hat sich mit einer überragenden Technologie diese Dominanz im Suchmaschinenbereich erobert. Gleichzeitig ist es aber interessant zu sehen, in welcher rasenden Geschwindigkeit das Image Googles sich von der freundlichen, transparenten Suchmaschine gewandelt hat zu der neuen Krake im Internet, die alle möglichen Bereiche aufkauft und noch dazu einen wichtigen Bereich, nämlich den der Suche dominiert. Das ist schon sehr erstaunlich, wie sich das gewandelt hat. Mittlerweile haben viele Leute Angst vor Google, vor dieser Markdominanz. Und niemand spricht mehr über die Monopol-Stellung von Microsoft, die es ja auch immer noch gerade im Bereich der Betriebssysteme gibt.
Tim O'Reilly hat unlängst in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen" gesagt: Das Microsoft-Zeitalter liegt hinter uns, wir erleben jetzt das Google-Zeitalter. Hat er Recht? Was sagen Sie dazu?
Im Moment sieht das ganz so aus. Aber man könnte salopp sagen: Es ist noch nicht aller Tage Abend. Wir haben gesehen, dass Google sich mit einer neuen Suchmaschinen-Technologie - dem Page-Rank-Verfahren - den ersten Platz im Suchmaschinen-Markt erobert hat. Jetzt sind aber die Verfolger aufgewacht. Als erster ist damals Yahoo aufgewacht. Yahoo hatte bis 2003 noch eine enge Kooperation mit Google. Das hat Yahoo 2003 aufgekündigt und hat seitdem massiv in eigene Suchmaschinen-Technologie investiert. Auch Microsoft hat in eigene Suchmaschinen-Technologie massiv investiert. Und dies sind jetzt die beiden großen Verfolger.
Wie geht es jetzt weiter?
Eventuell könnte der frühe Erfolg Google zum Verhängnis werden. Denn dadurch, dass Google derzeit die unangefochtene Nummer Eins der Suchmaschinen ist, wird Google auch zuerst Opfer von Manipulationen in diesem Bereich. Die Suchmaschinen sind ja nicht immer so schön neutral und liefern immer das Relevante, was wir uns wünschen. Weil Google so stark ist und von allen benutzt wird, springen die so genannten Search Engine Optimizer - die SEOs - gerne auf und manipulieren die Rankings. Also ist Google das erste Opfer, weil es so wichtig ist. Und deshalb werden die Ranking Listen von Google schlechter. Wenn man vergleicht mit Yahoo und Microsoft, kann es sein, dass der Zweite oder Dritte bessere Ergebnisse liefert - also weniger manipulierte und weniger von Spam durchsetzte Ergebnisse - als Google. Deshalb kann man noch nicht genau sagen, wie sich das die nächsten zwei oder drei Jahre weiter entwickelt.
Lesen Sie weiter: Kann Google mit immer neuen Anwendungen dem Office-Paket von Microsoft Konkurrenz machen?
Google führt immer neue Software ein, die mobil verfügbar ist statt stationär: zum Beispiel die G-Mail, die Apps und Google Gears. Werden wir uns in einigen Jahren vom Office-Paket von Microsoft verabschiedet haben?
Microsoft hat in diesem Bereich eine sehr, sehr starke Markstellung. Das wird sehr lange dauern, bis sich daran etwas ändert. Und Microsoft schläft ja nicht. Microsoft selbst hat enormes Investitionsvermögen und investiert selbst in diesen Bereich der Suchmaschinen-Technologie. Ich stimme also nicht mit Aussage überein, dass Google Microsoft auf breiter Linie den Schneid abgekauft hat.
Microsoft galt bisher als Software-Konzern, Google als Internet-Konzern und Suchmaschinenbetreiber. Sind diese Grenzen immer noch existent?
Diese Grenzen lösen sich auf. So scharf würde ich sie auch nicht ziehen. Microsoft hat mit seinem eigenen Browser und der Integration von Netscape schon im Internet gewildert und hat die relevante Software zum Surfen im Internet auf die Beine gestellt, hat mit Hotmail einen der führenden E-Mail-Dienste. Ich glaube nicht, dass eine Trennung weiterhin sehr sinnvoll ist.
Microsoft fiel bisher nicht dadurch auf, dass der Konzern Trends entdeckte und Vorreiter war - im Gegenteil. Aber der Konzern schaffte es immer wieder, sich Trendsetter einzuverleiben oder sie zu kopieren und dann aus dem Markt zu drängen. Bei Google scheint das erstmals nicht zu funktionieren. Trauen Sie Microsoft zu, Google aus dem Markt zu drängen?
Das glaube ich nicht. Zudem ist Google ja nicht der sympathische Trendsetter aus Kalifornien, der alles alleine erfindet und aufbaut. Auch Google mit seinen Milliarden verfolgt mittlerweile die Politik, sich andere einzuverleiben, die Neues erfunden haben. Da nehmen sich diese beiden Giganten gar nichts mehr. Aber ich glaube nicht, dass der eine den anderen schluckt.
Gemessen an Unternehmenszahlen liegt Microsoft noch vorn. Der Umsatz ist vier Mal so groß wie der von Google, der Börsenwert zweieinhalb Mal so groß. Kann Google hinsichtlich der Unternehmensgröße Microsoft überholen?
Google hat es da vom Gesamtvolumen her noch etwas schwerer als Microsoft. Gerade weil Microsoft durch seine Vereinbarungen mit den Computer-Herstellern und durch sein Betriebssystem, das wir auf fast jedem Computer weltweit finden, einfach eine gute dicke Basis hat. Diese Basis ist bei Google schlicht und einfach noch nicht so stabil, und zwar weil der erste Platz bei der Suchmaschinen-Technologie nicht so sicher ist, dass man sich darauf ausruhen kann.
Wenn ich Ihnen 10.000 Dollar geben würde, um Aktien von Microsoft oder Google zu kaufen, welche würden Sie wählen?
Das sollte man als jemand, der mit Geld nicht um sich werfen kann, möglichst gleich verteilen.
Univ.-Prof. Dr. Marcel Machill ist Professor für Journalistik mit dem Schwerpunkt internationale Mediensysteme an der Universität Leipzig und leitet dort den Lehrstuhl für Journalistik II. Seine Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den Bereichen (internationale) Medienpolitik, Onlinejournalismus, Suchmaschinen, TV, Radio, Internet Governance, Wissenschaftsjournalismus, Medienkompetenz und journalistische Kultur(en).