Vielschreiber und Trump-Gegner: Philip Roth wird 85
18. März 2018Das Schreiben vermisse er nicht, sagte Philip Roth noch vor kurzem in einem bemerkenswerten Interview der "New York Times", das anschließend auch die "Süddeutsche Zeitung" abdruckte. Mit der Ankündigung seines Rückzugs hatte der US-Schriftsteller 2012 den Literaturbetrieb geschockt. "Der Kampf mit dem Schreiben ist vorbei", habe er sich damals auf einen gelben Zettel geschrieben und auf seinen Computer geklebt. "Jeden Morgen schaue ich auf diesen Zettel, und das gibt mir sehr viel Kraft."
Sechs Jahre Ruhestand hat Roth, der an diesem Montag (19. März) 85 Jahre alt wird, nun schon hinter sich. Und er bereut nichts. "Die Bedingungen, die mich dazu gebracht haben, mit dem literarischen Schreiben aufzuhören, haben sich ja nicht verändert." Seine beste Arbeit liege hinter ihm. Für einen "großen kreativen Angriff auf eine komplexe Struktur wie einen Roman" habe er nicht mehr die Kraft.
"Trump die Katastrophe des Jahrhunderts"
Roth lebt auf der schicken Upper West Side in New York, im Sommer auch mal in seinem Haus in Connecticut. Nach dem Ende des Schreibens hat er Zeit für vieles andere, für das Lesen vor allem. Er verschlingt hauptsächlich Sachbücher. "Das Lesen hat den Platz des Schreibens eingenommen und bildet heute den Hauptteil, den Anreiz meines denkenden Lebens."
Er trifft auch Freunde, besucht Konzerte oder schaut Kinofilme. Sein Roman "Verschwörung gegen Amerika" verwandelt sich gerade in eine TV-Serie. Gemeinsam mit der jungen Tochter einer Ex-Freundin arbeitet Roth an einer Novelle. Mit dem US-Autor Blake Bailey feilt er an seiner Autobiografie.
Auch über die politischen Entwicklungen hält Roth sich auf dem Laufenden. "Niemand, den ich kenne, hat ein Amerika vorausgesehen wie das, in dem wir heute leben", sagte er in dem per E-Mail geführten Interview. US-Präsident Donald Trump sei für ihn "die Katastrophe des 21. Jahrhunderts, die entwürdigendste Katastrophe der USA" und ein "großer Betrüger, die üble Summe all seiner eigenen Unzulänglichkeiten, frei von allem außer der leeren Ideologie eines Größenwahnsinnigen".
Roth hat seinen Frieden gemacht
Geboren wurde der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, den viele Literaturkenner auch immer wieder als Anwärter auf den Literaturnobelpreis sahen, 1933 in Newark - auf der Seite des Hudson River mit dem besten Blick auf New York. Aufgezogen wurde er von jüdischen Immigranten unter einfachen Verhältnissen im Arbeiterviertel Weequahic.
Fast drei Dutzend Bücher veröffentlichte der Vielschreiber Roth im Lauf seiner Karriere, häufig eines pro Jahr. Er schrieb sarkastisch, humorvoll und voller Melancholie. Viele Romane spielen im Newark seiner Jugend. Zu seinen Bestsellern gehören die Roman-Trilogie "Der Ghostwriter", "Zuckermans Befreiung" und "Die Anatomiestunde", "Sabbaths Theater", "Amerikanisches Idyll", "Mein Mann der Kommunist", "Der menschliche Makel", "Jedermann", "Die Demütigung" und "Exit Ghost". Sein letztes Buch wird wohl "Nemesis" bleiben, das 2010 in den USA erschien.
Aber Roth hat seinen Frieden gemacht. "Im Moment finde ich es einfach nur überraschend, dass ich am Ende eines jeden Tages immer noch da bin", sagte er der "New York Times". "Ich schlafe lächelnd ein und wache lächelnd wieder auf."
sd/so (dpa/Süddeutsche Zeitung)