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Transplantationen im Focus

Heiner Kiesel4. September 2013

Die Bundes- Ärzteschaft legt einen Prüfbericht der Transplantationen der Jahre 2010 und 2011 vor. Akribisch weist er den Medizinern Fehler nach. Der Bericht ist aber vor allem eine Botschaft an Politik und Gesellschaft.

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Prüfbericht nach der Untersuchung von 24 Lebertransplantationszentren. Copyright: DW/Heiner Kiesel
Bild: DW/H. Kiesel

Es hat in vier deutschen Kliniken schwerwiegende Verstöße bei Lebertransplantationen gegeben. Das stellt die Prüf- und Überwachungskommission von Ärzteschaft, Krankenhäusern und Kassen in ihrem umfangreichen Prüfberichts fest. Bekannt waren bislang unsaubere Praktiken an den Transplantationszentren in Göttingen, Leipzig und München – jetzt werden auch dem Zentrum in Münster schwerwiegende Richtlinienverstöße vorgeworfen. In den 20 restlichen Transplantationszentren habe es nach dem Bericht zwar vereinzelt Fehler bei der Vergabe von Organen gegeben, bei denen sich aber, so die Vorsitzende der Prüfkommission, Anne-Gret Rinder, "kein Verdacht auf systematische oder bewusste Falschangaben zur Bevorzugung bestimmter Patienten ergab." Bekannt gewordene Vorfälle aus einem Klinikum in Regensburg finden sich allerdings nicht in dem Bericht, da sie vor dem Untersuchungszeitraum gelegen hätten.

Der Bericht bezieht sich auf Verfehlungen aus den Jahren 2010 und 2011. In diesem Zeitraum seien 2.303 Lebertransplantationen erfolgt, heißt es darin. Die Prüfer haben die Akten von 1180 Empfängern studiert, um die Vorgänge in den 24 deutschen Lebertransplantationszentren zu beleuchten. Rinder sieht es als positiven Effekt der Überprüfung "eine Verbesserung der formalen Abläufe sowie der jeweiligen Dokumentationen". Auffällig häufig zeigt sich, dass Trinkern neue Lebern verschafft wurden, obwohl diese noch nicht abstinent lebten.

Außenansicht des Universitätsklinikums Göttingen (Niedersachsen), fotografiert am 18.08.2013. Vor dem Landgericht Göttingen beginnt am 19.08.2013 der Prozess um den Organspende-Skandal am Göttinger Uniklinikum. Foto: Stefan Rampfel/dpa (zu "Spenderorgan-Skandal: Arzt wegen 14 Tötungsdelikten vor Gericht" vom 19.08.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Im Universitätsklinikum Göttingen wurden Krankenakten gefälscht und möglicherweise Todkranke benachteiligtBild: picture-alliance/dpa

Effiziente Kontrolle

Die Prüfkommission ist von der Bundesärztekammer als Reaktion auf skandalöse Vorgänge bei der Vergabe von gespendeten Organen eingesetzt worden. Im Juli 2012 wurde öffentlich, dass am Göttinger Uni-Klinikum Krankenakten gefälscht wurden, damit Patienten in der Warteliste für ein Spenderorgan nach oben rückten und so schneller in an ein neues Organ kamen. Ein Arzt aus Göttingen steht deswegen derzeit vor Gericht. Der 46-jährige Mediziner soll in elf Fällen Krankenakten seiner Patienten manipuliert haben, andere, lebensbedrohlicher erkrankte Patienten hätten deswegen kein Spenderorgan erhalten und ihr Tod zumindest billigend in Kauf genommen worden, meint die Staatsanwaltschaft. Diese und weitere Enthüllungen haben die Bevölkerung inzwischen stark verunsichert. Die Spendenbereitschaft brach infolge dessen ein. In den Augen von Medizinern, Krankenhausbetreibern und Gesundheitspolitikern führt der Verlust des öffentlichen Vertrauens zu einem alarmierenden Mangel an Transplantaten.

Die Kammer will nun durch die Arbeit des Gremiums zeigen, dass sie in der Lage ist, die Vorgänge im Transplantationswesen transparent und effektiv zu kontrollieren. Die politische Botschaft ist also, dass keine weiteren legislativen Eingriffe in die Selbstverwaltung der Mediziner notwendig seien, nachdem das Transplantationsgesetz vergangenes Jahr novelliert wurde. Es geht aber auch darum, den Ruf der Ärzteschaft wieder in ein angenehmeres Licht zu rücken. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, betonte, dass es zu den schweren Regelverstößen nicht aus persönlicher Gier gekommen sei. "Es waren nicht vordergründig matierielle Motive, die zu Verstößen gegen die Transplantationsrichtlinien führten, oder die Bevorzugung von Privatpatienten oder eine Bereicherung einzelner." Der Ärztepräsident räumte aber ein, dass es gewisse "Anreize" im Gesundheitswesen gebe. Dazu gehörte, dass Krankenhäuser sehr viel durch Organverpflanzung verdienten. "Auf der anderen Seite ist die Transplantationschirurgie nach wie vor eine der Königsdisziplinen der Medizin, auch im Ansehen, und deshalb sind die Krankenhäuser auch interessiert diese Disziplin in ihren eigenen Mauern zu haben." Derzeit wird darüber diskutiert inwieweit sich die Zahl der Transplantationskliniken reduzieren ließe.

Bahr sieht Fortschritte

Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenhäuser und Kassen appellierten bei der Präsentation des Prüfberichtes eindringlich an die Bevölkerung, sich verstärkt zur Organspende bereit zu erklären. Auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nutzte den Termin, um dieser Aufforderung Nachdruck zu geben. Die Untersuchung der Kommission nannte Bahr "ein Stück Transparenz". Er betonte, dass es sich dabei aber um "eine Vergangenheitsbewältigung" geht. Der Minister unterstrich, dass sich seit der Aufdeckung des Skandals viel getan habe, um die Organspende ordentlich und gerecht zu regeln. "Wir haben die strengsten und sichersten Regeln in Deutschland – auch im Vergleich zu allen anderen Ländern", sagte Bahr.

Prüfbericht nach der Untersuchung von 24 Lebertransplantationszentren. (v.l.) Gesundheitsminister, Daniel Bahr, die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder und der Ärztepräsident, Frank Ulrich Montgomery. Copyright: DW/Heiner Kiesel
Frank Ulrich Montgomery, Anne-Gret Rinder und Daniel Bahr (vlnr) wollen Vertrauen in die Transplantationszentren weckenBild: DW/H. Kiesel