Vietnam: Vom Armenhaus zum Wirtschaftswunder
Seit den "Doi moi" genannten Reformen Mitte der 1980er Jahre hat die Sozialistische Republik Vietnam eine bemerkenswerte Entwicklung von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem aufstrebenden Schwellenland hingelegt.
Die Stadt, die niemals still steht
Ho-Chi-Minh-Stadt (kurz HCMS, früher Saigon), die 13-Millionen-Einwohner-Metropole im Süden Vietnams, ist das wirtschaftliche Zentrums des Landes. Bis 2050 könnte Vietnam auf Rang 20 der größten Volkswirtschaften der Welt stehen (aktuell ist es Platz 32), was ein durchschnittliches BIP-Wachstum von fünf Prozent jährlich voraussetzt. Momentan sind es knapp sieben Prozent.
Unüberhörbarer Aufschwung
Von früh morgens bis in die späten Abendstunden ergießen sich endlose Blechlawinen aus Motorrollern in die Straßen. Allein in HCMS gibt es angeblich mehr als sieben Millionen der flinken Scooter, landesweit sollen es 45 Millionen sein. Gebrauchte sind ab 150 Dollar zu bekommen. Seit den 1980er hat sich das Pro-Kopf-Einkommen mehr als versechsfacht.
Kleiner Startup-Sektor, große Ambitionen
Vietnams aufkeimende dynamische Tech-Szene bietet vielen jungen Talenten eine Chance, zum Beispiel bei dem vier Jahre alten Startup NFQ Asia. Dort verdient ein Entwickler zwischen 1500 und 2500 US-Dollar im Monat, also rund fünfzehnmal so viel wie das durchschnittliche Monatsgehalt. "Vietnamesen sind hungrig nach Erfolg und arbeiten sehr, sehr hart", sagt NFQ Asia-Gründer Lars Jankowfsky.
Arbeit mit Hochdruck an Verkehrslösungen
Vietnams erste Metro soll den totalen Verkehrsinfarkt in Hanoi und in Ho-Chi-Minh-Stadt verhindern. In HCMS wird die Linie 1 wird voraussichtlich ab Ende 2020 den zukünftigen zentralen Knotenpunkt Ben Thanh-Markt mit Suoi Tien knapp 20 Kilometer nordöstlich verbinden. Für die 781 Meter lange erste Röhre (im Bild) brauchte die japanische Tunnelbohrmaschine knapp 80 Tage.
Wohlverdiente Pause
Angeblich schuften 500 Arbeiter für das U-Bahn-Projekt in HCMS, die meisten von ihnen unter der Erde in Acht-Stunden-Schichten. 90 Prozent sind Vietnamesen, jeder fünfte angeblich weiblich. Der Tagesverdienst liegt zwischen 15 und 20 US-Dollar. Auf absehbare Zeit werden aber verstopfte Kreuzungen und Abgase weiterhin den Alltag von Millionen von Vietnamesen bestimmen.
Zwischen Tradition und Moderne
Ein junger Vietnamese sitzt auf Säcken mit Kaffee-Bohnen in einer Kaffee-Plantage in der Nähe von Da Lạt, der Hauptstadt der Provinz Lam Dong im zentralen Bergland von Südvietnam. Nach Brasilien ist Vietnam der zweitgrößte Kaffee-Exporteur weltweit.
"Stadt des ewigen Frühlings"
Da Lạt liegt am Xuan Huong-Stausee rund 300 Kilometer nordöstlich von HCMS und ist von Pinienwäldern, Seen und Wasserfällen umgeben. Die "Stadt des ewigen Frühlings" hat ein besonders gemäßigtes Klima und ist unter anderem bekannt für Arabica-Kaffee, Gemüseanbau und Blumenzucht.
Unterschätzte Schattenwirtschaft
Reiseführer, Straßenverkäufer, Besitzer von Tante-Emma-Läden, Bauern – sie alle sind Teil des sogenannten informellen Sektors, zu dem Aktivitäten wie die Herstellung und der Verkauf von Produkten auf lokalen Märkten und einfache Dienstleistungen gehören. Je nach Schätzung könnten bis zu 78 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Schattenwirtschaft tätig sein.
Verblüffender Pragmatismus
Die Einwohner Vietnams sind wahre (Über-)Lebenskünstler und wohl das größte Kapital des Landes: Sie haben Improvisationstalent, sind belastbar, pragmatisch, lernfähig, unternehmerisch veranlagt und optimistisch. Noch dazu sind sie jung: Das Durchschnittsalter der Vietnamesen liegt mit 31 Jahren 13 Jahre unter dem deutschen Durchschnitt; 60 Prozent der Bevölkerung ist unter 35.