Deutsch-vietnamesische Beziehungen
27. März 2015Deutsche Welle: In diesem Jahr feiern Deutschland und Vietnam das 40-jährige Bestehen diplomatischer Beziehungen. Eine Erfolgsgeschichte aus deutscher Sicht?
Jutta Frasch: Auf jeden Fall! Wir haben gerade in den letzten Jahren eine Intensivierung der Beziehungen gesehen. In die 40 Jahre fällt ja auch die deutsche Wiedervereinigung. Das hat die Beziehungen zu Vietnam natürlich beeinflusst. Aber in den letzten vier bis fünf Jahren ist eine deutliche Intensivierung in den Beziehungen festzustellen. Das gilt für die wirtschaftliche Seite, für die politischen Beziehungen, aber auch für den kulturellen Bereich. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der vietnamesische Premierminister Nguyen Tan Dung schlossen daher im Jahr 2011 eine Strategische Partnerschaft unserer Länder, welche die Leitplanke unserer diplomatischen Beziehungen bildet.
Welche gemeinsamen Projekte sind dabei besonders wichtig?
Die wirtschaftliche Zusammenarbeit bzw. die Entwicklungszusammenarbeit tragen in besonderem Maße zu den Beziehungen bei. Es gibt etwa 170 Millionen Euro deutsche Direktinvestitionen in Vietnam. Es sind inzwischen rund 300 deutsche Firmen in Vietnam vertreten, von denen 180 in der German Business Association zusammengeschlossen sind. Dieses Engagement deutscher Firmen spiegelt die rasante wirtschaftliche Entwicklung des Landes wider. Die Deutschen haben natürlich ein großes Interesse am vietnamesischen Markt. Das Land hat 90 Millionen Einwohner. Es zeigt aber auch das große Interesse der Vietnamesen an Deutschland und deutschen Produkten.
Die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen beflügeln auch die politischen Beziehungen.
Bei der kulturellen Zusammenarbeit ist besonders die 2008 gegründete deutsch-vietnamesische Universität hervorzuheben. Inzwischen wurden die ersten Bachelor-Diplome vergeben. Zurzeit sind etwa 750 Studenten eingeschrieben. Die Universität hat sogar einen Weltbank-Kredit über 200 Millionen US-Dollar (182 Millionen Euro) bekommen, um einen neuen Campus zu bauen. Es gibt gegenwärtig über 4000 vietnamesische Studenten in Deutschland. Beides klare Zeichen dafür, dass es ein Interesse der Menschen in Vietnam an Deutschland gibt.
Insgesamt sind das alles Entwicklungen, die sehr zu begrüßen sind.
Wo wäre aus deutscher Sicht eine vertiefte Zusammenarbeit wünschenswert und wo gibt es noch Differenzen?
Zuerst einmal ist es wichtig, die begonnenen Projekte fortzusetzen. Wir erwarten, dass das Engagement der vietnamesischen Seite etwa mit Blick auf die deutsch-vietnamesische Universität, die eine Universität nach vietnamesischem Recht ist, sich auch so gestaltet, wie sich die Vietnamesen das ursprünglich vorgestellt haben. Die Universität in Saigon soll sich zu einer Exzellenzuniversität hin entwickeln. Und das nicht nur in der Lehre nach deutschem Standard, sondern auch in der Forschung. Dazu benötigte die Universität sehr viel Freiheit, ein ausreichendes Budget und eine gewisse Budgethoheit. Wir hoffen sehr, dass die nächste Sitzung des Universitätsrats in diesen Punkten entscheidende Fortschritte bringt.
Das zweite große Thema ist die starke wirtschaftliche Öffnung des Landes seit 1986, die allerdings nicht mit einer politischen Öffnung einhergeht. Es gibt immer noch das Machtmonopol der kommunistischen Partei Vietnams, und daran wird sich wohl auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Wir glauben allerdings, dass sich daraus einige Schwierigkeiten ergeben. Wir sprechen das auch sehr offen an. Wir sind mit der Menschenrechtssituation nicht zufrieden. Insbesondere was die Informations- und Meinungsfreiheit angeht, aber auch was die politischen Freiheitsrechte angeht, ist sicherlich noch eine große Verbesserung erforderlich. Wir engagieren uns mit einem Rechtsstaatsdialog, zu dem auch die Frage der Menschenrechte gehört.
Schließlich bleibt Deutschland als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert und hier vor allem in den Bereichen duale Berufsausbildung und grünes Wachstum.
Jutta Frasch ist seit 2012 Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Vietnam.
Das Interview führte Rodion Ebbighausen.