Vietnam zwischen Stillstand und Wandel
13. Januar 2011Am Mittwoch (12.01.2011) hat in Vietnams Hauptstadt Hanoi der 11. Parteitag der regierenden Kommunistischen Partei begonnen. Rund 1400 Delegierte werden im Namen der etwa drei Millionen Mitglieder über den zukünftigen Kurs der Regierung abstimmen. Bei dem alle fünf Jahre stattfindenden Parteitag, der bis zum kommenden Mittwoch (19.01.2011) geht, wird die Partei- und Regierungsspitze neu gewählt. Zudem wird der Fünf-Jahres-Plan zur wirtschaftlichen und sozialen Neuordnung des Landes verabschiedet. Kernpunkt ist die Wirtschaftsentwicklung des Landes. Nach Plänen der Partei soll sich Vietnam bis 2020 zu einem modernen Industriestaat entwickelt haben. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Denn die Probleme sind vielfältig.
It's the economy, stupid
Die Führung des kommunistischen Landes hat früh erkannt, dass eine Öffnung der Wirtschaft sehr wichtig für die Entwicklung Vietnams ist. Sie hat schon lange bevor Bill Clinton mit seinem berühmten Spruch "It's the economy, stupid" daherkam, auf die Wirtschaft gesetzt - allerdings nicht immer so konsequent wie nötig. Bereits seit 1986 verfolgt das südostasiatische Land eine als "Doi Moi" bekannte Politik der wirtschaftlichen Liberalisierung.
Nong Duc Manh, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, verwies dennn auch in seiner Eröffnungsrede des Parteitags auf die ökonomischen Reformen der vergangenen 25 Jahre, die dem Land Erfolg beschert hätten. Allerdings räumte er auch Probleme ein, wie die mangelnde Konkurrenzfähigkeit vieler Wirtschaftsbereiche. Zudem sei es nicht gelungen, Bürokratie und Korruption ausreichend einzudämmen.
Liebling der Investoren - aber das reicht nicht
Durch die liberale Wirtschaftspolitik wurde Vietnam schnell zum Liebling der Investoren und verzeichnete in den vergangenen Jahren stets Wachstumsraten von durchschnittlich sieben Prozent pro Jahr. Laut Prognosen soll es ähnlich positiv weitergehen. Bisher hat das 88 Millionen Einwohner zählende Land sein Wachstum den Bodenschätzen und billigen Arbeitskräften zu verdanken. Allerdings muss es sich nun verstärkt auf die globalen Anforderungen einstellen.
Vietnam konnte zwar die Ausfuhren steigern, die Einfuhren erhöhten sich allerdings noch stärker. Im Gegensatz zu den meisten anderen asiatischen Ländern importiert Vietnam daher mehr als es exportiert. Das Handelsbilanzdefizit lag im Jahr 2010 bei rund neun Milliarden Euro. Zudem kämpft das Land mit steigender Inflation und zunehmend auch mit Problemen staatseigener Betriebe. Die Vietnamese Shipbuilding Industry Group (Vinashin) hat sich beispielsweise mit Zukäufen verhoben und ist daher in eine kritische Schieflage geraten.
Wirtschaftlicher Wandel
Der stellvertetende Planungsminister Nguyen The Phuong hatte vor kurzem erklärt, dass die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit nicht den tatsächlichen Möglichkeiten Vietnams entsprächen. Der Generalsekretär der regierenden Kommunisten Nong Duc Manh ergänzte am Mittwoch (12.01.2011) auf dem Parteitag, das Land müsse sein "Wachstumsmodell erneuern und die Wirtschaft umstrukturieren, um die Industrialisierung und Modernisierung mit schnellem und nachhaltigem Wachstum voranzutreiben." Dazu müsse die Infrastruktur modernisiert und das Bildungssystem reformiert werden.
Bisher zeichnet sich Vietnam vor allem durch billige Arbeitskräfte aus, die im Schnitt für ein Drittel weniger arbeiten als die Arbeiter in China. Generalsekratär Manh forderte, dass Vietnam auf dem Weg hin zur Industrienation künftig stärker auf Wissenschaft, Technologie und "hochwertige menschliche Ressourcen" zurückgreifen müsse. Das Fernziel gab Premierminister Nguyen Tan Dung auf dem Parteitag vor. Es besteht darin, in Zukunft "eine unabhängige, selbstständige und hoch wettbewerbsfähige Wirtschaft zu entwickeln".
Politischer Stillstand
Während sich Veränderungen in der Wirtschaft abzeichnen, sieht es in der Politik eher nach Stillstand aus. Die Kommunistische Partei hält weiter am Ein-Parteien-System fest. Es ist nicht lange her, dass sie die Forderung nach Zulassung anderer Parteien erneut abgelehnt hat. "Vietnam hat keinen Bedarf an Pluralismus oder einem Mehrparteiensystem", stellte Dinh The Huynh vom kommunistischen Zentralkomitee auf einer Pressekonferenz am Montag (10.01.2011) fest. Wer sich öffentlich für ein Mehrparteiensystem ausspricht, kann in Vietnam schnell im Gefängnis landen.
Allerdings mangelt es der einzigen Partei im Staate nicht an Unterstützung aus dem Volk. Grund dafür ist das anhaltende Wirtschaftswachstum, das zu besseren Lebensbedingungen geführt hat. Außerdem, so sagen Beobachter, hätten Gründungspräsident Ho Chi Minh und die lange Geschichte des Widerstands gegen ausländische Angriffe die Akzeptanz der Partei gestärkt.
Große Veränderungen des politischen Systems in Vietnam sind von dem Parteitag nicht zu erwarten. Vermutlich wird es allerdings einige Personalentscheidungen geben. Erwartet wird, dass Parteichef Nong Duc Manh und Präsident Nguyen Minh Triet aus Altersgründen nicht noch einmal kandidieren werden. Als Favorit für das Amt des Parteichefs wird der heutige Präsident der Nationalversammlung Nguyen Phu Trong gesehen. Der 66-Jährige gilt als konservativer Ideologe, der über gute Kontakte zu China verfügt. Parteifunktionär Truong Tan Sang könnte als Präsident nachfolgen. Premierminister Nguyen Tan Dung wird voraussichtlich im Amt bleiben.
Autor: Marco Müller (dpa, afp, epd)
Redaktion: Sven Töniges