Virale Werbeclips im Netz
17. März 2014Ein Werbevideo, das weltweit freiwillig von mehreren Millionen Menschen gesehen und in sozialen Netzwerken verbreitet wird - das ist ein Traum vieler Werber - und ein großer Glücksfall dazu: "Man schätzt, dass auf jedes viral gewordene Video mindestens zehn kommen, die gar nicht abheben", sagt Felix Beilharz, Trainer und Berater für Online-Marketing. Der Verbreitungsgrad eines Videos sei daher nur teilweise planbar. Allerdings helfen einige Handgriffe der Unternehmen, um das Risiko eines Misserfolges einzuschränken.
Emotionen, Emotionen, Emotionen
Hohe Klickzahlen entstehen vor allem durch die Weiterreichung, das Teilen von Videos in sozialen Netzwerken wie Facebook, Google Plus oder Twitter. "Das funktioniert besonders gut, wenn der Nutzer durch das Video emotional angesprochen wird", sagt Beilharz. Das sei der Videokünstlerin Tatja Pilieva mit ihrem Video "First Kiss" für das US-Modelabel Wren besonders gut gelungen: In einem Fotostudio stellte sie zehn Paare zusammen, die sich vor laufender Kamera küssen. Das Besondere daran: die Personen begegneten sich zum ersten Mal.
"Es schwingt etwas Verliebtes, etwas Schüchternes und etwas Peinliches in diesem Video mit. Solche Emotionen können dazu anregen, das Video weiterzureichen", ergänzt Beilharz. Erst auf dem zweiten Blick fällt das für eine Sekunde am Anfang des Videos eingeblendete "WREN presents" auf - ein eindeutiger Hinweis auf ein Werbevideo. Auch die Menschen in dem Clip wirken überdurchschnittlich hübsch. Kein Wunder: Regisseurin Pilieva engagierte für ihr Video Models. Auch das geht neben den Emotionen unter. Den User stört es nicht: Das Video steht kurz davor, auf der Videoplattform Youtube die 60-Millionenmarke zu knacken.
Kopieren geht über studieren
Bei Edekas "Supergeil"-Clip hingegen haben die Macher auf Altbewährtes gesetzt: Der Künstler Friedrich Lichtenstein hatte bereits zuvor mit einem ähnlichen Lied einen hohen Bekanntheitsgrad und hohe Klickzahlen auf Youtube erreicht. "Edeka ließ den Song umschreiben und passte ihn auf die Marke an", erklärt Beilharz. Die Lebensmittelkette habe so die bewiesene Viralität des früheren Videos genutzt und weitergeführt.
Die Marke selbst habe dabei nie aggressiv im Vordergrund gestanden: "Im Songtext wird der Name 'Edeka' nie genannt, auch die Produktnamen bleiben unerwähnt", ergänzt Beilharz. Dabei sei die Marke trotzdem sichtbar, ohne dabei störend zu wirken wie zum Beispiel bei einem Fernsehclip.
Um das Video erfolgreich ins Rollen zu bringen, habe Edeka außerdem auf wichtige Multiplikatoren gesetzt: So sei einer der einflussreichsten deutschen Blogger, Schlecky Silberstein , damit beauftragt worden, das Video zu verbreiten. Mit Erfolg: Über sieben Millionen Nutzer guckten sich den Clip bereits auf Youtube an.
Nutzer werden miteinbezogen
Einen Coup landete "Tipp Ex", eine Marke für Korrekturfolien- und Flüssigkeit zum Überdecken von Tippfehlern, vor rund drei Jahren mit einer ungewöhnlichen Idee: In ihrem Youtube-Video (21 Millionen Klicks) konnten die Nutzer entscheiden, wie sich die Hauptperson im Video weiter verhalten sollte: Ein Camper steht mitten im Wald und wird von einem Bären bedroht. Soll er den Bären erschießen? Am Ende des Videos muss sich der Nutzer für eine Aktion entscheiden und auf ein Feld klicken. Der Klick auf das Feld führt zum nächsten Tipp-Ex-Video.
Den Nutzer miteinzubeziehen sei ein Vorteil vieler viraler Videos, bestätigt Manfred Schwaiger vom Institut für marktorientierte Unternehmensführung der LMU München. "Das ist eine ganz andere Kontaktqualität als bei Fernsehwerbung. Die eigene Beteiligung ist viel höher", sagt Schwaiger. Das hat auch Folgen für die Aufmerksamkeit für die Marke: Felix Beilharz hat das Suchvolumen bei Google nach "Tipp Ex" vor und nach der Veröffentlichung des Videos untersucht: "Zwei oder drei Jahre später war es immer noch doppelt bis dreifach so hoch wie vorher", sagt Beilharz. Voraussetzung für die Verknüpfung des Videos mit der Marke sei jedoch, dass sie stark genug im Clip auftrete und die Markenbotschaft klar kommuniziert werde.
Hauptsache eine zündende Idee
"Unternehmen mit sogenannten 'High Involvement Goods', Gütern, die an sich schon eine Faszination ausüben, haben es leichter im viralen Marketing", glaubt Schwaiger. Dazu gehören Produkte wie Autos, Mode oder auch Fluglinien. Für einen Finanzdienstleister oder Mineralölkonzern beispielsweise sei es wesentlich schwieriger, Aufmerksamkeit über virale Videos zu steuern. "Doch wenn es eine zündende Idee gibt, dann ist auch das denkbar", sagt Schwaiger.
Der Werbeclip von Evian sei dafür ein gutes Beispiel. Das Video, das Computer animierte Babys auf Rollschuhen zeigt, wurde auf Youtube über 73 Millionen Mal angeklickt. Doch nur weil ein Video viele Zugriffe bekommt, sei die Firma noch lange nicht unbedingt im unternehmerischen Sinne erfolgreich. "Videos, in denen starke Reize wie Humor, Erotik, Schock oder Rätsel stecken, lenken oft von der eigentlichen Markenbotschaft ab", sagt Schwaiger. Man könne sich dann zwar sehr gut an das Video erinnern, aber wofür da eigentlich geworben wurde, bleibe nicht unbedingt in Erinnerung. "Und das ist schlecht für den Erfolg eines Unternehmens", betont Schwaiger.
Schöner, hochauflösender, viraler
Zu Beginn des Werbevideos "The Epic Split" des schwedischen Autoherstellers Volvo scheint Hollywood-Schauspieler und Stuntman Jean-Claude van Damme zwischen zwei großen Lastwagen zu schweben. Die Kamera entfernt sich und es wird klar: Van Damme steht auf den Rückspiegeln zweier rückwärtsfahrender Volvo-Trucks, die nebeneinander Richtung Sonnenuntergang fahren. Während die beiden Fahrzeuge und damit deren Rückspiegel sich immer weiter voneinander entfernen, bleibt Van Damme mit verschränkten Armen ruhig stehen und vollzieht mit seinen Beinen zwischen den Trucks einen Spagat in Hochauflösung.
Dieser "Epic Split" wurde bisher von über 70 Millionen Usern auf Youtube angesehen. "Topqualität in der Produktion ist für eine hohe Reichweite absolut wichtig", betont Schwaiger. Verpixelte Aufnahmen schafften es in der Regel nicht, hohe Klickzahlen zu erreichen. Doch ob sich dann der Erfolg auch einstellt, sei nie vorherzusagen. Das sei eben wie bei Hollywood-Filmen.
"Man muss sich Kommunikationsinstrumente vorstellen wie die Instrumente eines Orchesters: Am besten ist es, wenn alle Instrumente richtig zusammenspielen", erklärt Schwaiger. Deshalb sei es für Unternehmen besser, nicht einzig auf Webvideos zu setzen. Es könnten sonst schnell Sättigungserscheinungen eintreten. Sinnvoller sei Mix von Kommunikationsinstrumenten, wie Plakatwerbung, Fernsehclips, Sponsoring oder Product Placement. Auch Beilharz ist sich sicher: "Virales Marketing wird klassische Werbung auch in Zukunft nicht völlig ersetzen können."