"Nach 19 Uhr kann ich den Laden schließen"
25. Februar 2020Eigentlich wirkt alles wie immer: Han Los Restaurant "Bo Ky" im Herzen von Manhattans Chinatown (Artikelbild) ist an diesem Vormittag gut besucht. Männer und Frauen in Anzug und Kostüm bestellen frische Meeresfrüchte, über die Lautsprecher läuft sanfte asiatische Musik, aus der Ecke grüßt eine Glückskatze.
Lo begrüßt jeden Gast am Eingang persönlich: "Wir haben Glück, im Herzen von Chinatown zu sein," berichtet er. Zum Mittagessen kämen viele Geschäftsleute aus der direkten Nachbarschaft zu ihm. "Das hält uns aktuell über Wasser."
Seit dem weltweiten Ausbruch des Coronavirus sei der Umsatz in Chinatown um etwa 40 Prozent zurückgegangen, erzählt Wellington Chan vom Chinatown Business Improvement District (BID). Einzelnen Läden drohen sogar Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent. "Erste Geschäfte befürchten bereits, dass sie schließen müssen, wenn sich die Besucherzahlen nicht bald normalisieren", sagt Chan.
Und abends wird es dunkel
Besonders in den Abendstunden sei das sonst so lebendige Viertel wie ausgestorben. "Nach 19 Uhr kann ich meinen Laden schließen", bestätigt Lo. Dabei gebe es bislang keinen einzigen bestätigten Corona-Fall in New York. Das Risiko in Chinatown sei also kein bisschen größer als in anderen Stadtteilen.
In der Tat sind nach Einbruch der Dunkelheit viele Straßen in Chinatown leer und viele Geschäfte geschlossen. Auch in den umliegenden Vierteln wie dem italienisch geprägten "Little Italy", sieht es in den Abendstunden nicht anders aus. Auch Broadway-Shows, Hotels und Touristenbusse haben mit Umsatzrückgängen zu kämpfen.
Spendable Chinesen
Der Grund dafür sei das Fehlen von Touristen aus China: "Chinesische Touristen bleiben statistisch gesehen am längsten und geben das meiste Geld aus", sagt Chan. Durchschnittlich 7000 Dollar pro Reise habe jeder Besucher aus China im vergangenen Jahr pro Reise ausgegeben.
Laut der New Yorker Tourismusbehörde besuchen jährlich etwa eine Million chinesischer Touristen die Stadt. Daraus ergeben sich Umsätze in Höhe von sieben Milliarden Dollar.
Seit Ausbruch des Corona-Virus ist die Anzahl chinesischer Touristen jedoch um mehr als die Hälfte zurückgegangen. "Da können Sie sich ausrechnen, wie hoch die Verluste für die Restaurants und Geschäfte sind"" sagt Wellington Chan.
Liebe zeigen
Vor allem in den ersten Wochen des Jahres seien die Rückgänge besonders auffällig gewesen, berichtet Restaurantbesitzer Han Lo. Das chinesische Neujahrsfest sei normalerweise der größte Feiertag in der Umgebung. "Dieses Jahr waren die Besucherzahlen absolut enttäuschend." Die traditionelle Parade in Manhattan wurde so schlecht besucht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. In Miami mussten die Feierlichkeiten auf Grund von Corona-Erkrankungen sogar komplett abgesagt werden. "Dadurch ist ein Großteil unserer Einnahmen im Januar weggebrochen," bestätigt Lo.
Mit der Kampagne "Show some love to Chinatown" ("Zeige Chinatown etwas Liebe") versucht das BID in Kooperation mit der Stadt New York nun die Besucher zurückzuholen. Unter den Hashtags #DineInChinatown und #ShopInChinatown sollen sowohl Bürger als auch Touristen ihre Chinatown-Erfahrungen in den sozialen Medien teilen.
"Wir wollen, dass die Leute zeigen, welche Möglichkeiten unser Viertel bietet," sagt Chan. "Außerdem haben alle Konsumenten die Möglichkeit, Preise bei einer Tombola zu gewinnen, die wir extra für diese Kampagne auf die Beine gestellt haben." Seit dem 14. Februar genügt es, eine Mahlzeit in Chinatown zu sich zu nehmen oder in einem Geschäft in Chinatown einzukaufen. Die Quittung darüber muss dann nur in der BID-Zentrale vorgezeigt werden, um an der Tombola teilzunehmen.
Essen aus Solidarität
"Die Geschäfte in Chinatown waren so großzügig; Preise zu stiften," sagt Stadträtin Margaret Chin. Von kostenfreiem Essen über Schmuck bis hin zu einem iPhone X sei alles dabei. Die Stadträtin freut sich besonders über den Zusammenhalt der New Yorker "Auch meine Kollegen aus den anderen Stadtteilen unterstützen die Kampagne." So seien viele Mandatsträger kürzlich in Chinatown essen gewesen - als Zeichen der Unterstützung und um anderen die Angst zu nehmen. "Wir hoffen, dass solche Bilder dabei helfen, die Kampagne voranzutreiben," erklärt Chin.
Restaurantbesitzer Han Lo hofft ebenfalls, dass die Kampagne erfolgreich ist: "Es ist bereits ein leichter positiver Trend zu verzeichnen," bestätigt er. "Wir hoffen aber natürlich, dass noch mehr Menschen den Weg zurück nach Chinatown finden."