Visegrad-Staaten feiern 20 Jahre NATO-Beitritt
13. März 2019Die Prager Straßenbahnen waren am Dienstag mit den Fahnen der Tschechischen Republik und der Nordatlantischen Allianz geschmückt. Die U-Bahn begrüßte ihre Fahrgäste mit dem Hinweis, dass das Land vor 20 Jahren der NATO beigetreten ist.
"Liebe Mitbürger": Mit diesen Worten begann der tschechische Präsident Václav Havel damals eine der kürzesten Reden, die er jemals gehalten hat. In den ersten drei Sätzen unterstrich er die historische Bedeutung des von ihm gerade unterzeichneten Protokolls über den NATO-Beitritt Tschechiens, dessen Sicherheit "nach vielen Jahrhunderten dramatischer Existenz" endlich "fest und gut" garantiert werde.
In weiteren drei Sätzen erlaubte er sich noch eine persönliche Anmerkung: "Als ich vor zehn Jahren im Gefängnis war, ahnte ich noch gar nicht, dass ich in zwei Jahren im Namen des Warschauer Pakts dessen Auflösung verkünden und nach weiteren acht Jahren im Namen der Tschechischen Republik deren Beitritt zur NATO unterzeichnen werde."
Der Mann, der ein Zehntel seines Lebens hinter Gittern verbrachte, weil er während der Diktatur in der damaligen Tschechoslowakei für die Freiheit seiner Mitbürger gekämpft hatte, beendete seine Rede mit den Worten: "Ich habe allen Grund, meinem Schicksal dankbar zu sein."
Aus der Geschichte lernen
Ähnlich wie Václav Havel vor 20 Jahren berufen sich auch die heute amtierenden Präsidenten der Visegrad-Staaten (Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn) auf die wechselhafte Geschichte ihrer Länder, wenn sie über die Bedeutung der NATO-Mitgliedschaft reden. János Ader aus Ungarn hat am Dienstag in Prag die "verlorenen Kämpfe der ungarischen Nation für ihre Freiheit" aufgezählt. All diese Niederlagen machten seinen Landsleuten eines bewusst: "Wir sind allein, wir haben keine Alliierten." Deswegen hätten 85 Prozent der Ungarn 1997 in einem Referendum für einen NATO-Beitritt ihres Landes gestimmt. "Die Leute haben verstanden, dass das Schicksal uns eine Chance gegeben hat, und es wäre ein Fehler, sie zu verpassen", erklärte der ungarische Staatschef.
Sein polnischer Amtskollege Andrzej Duda erinnerte daran, dass auch Polen im Jahr 1939 in einer Allianz war - mit Frankreich und Großbritannien. Die beiden Staaten erklärten Nazi-Deutschland zwar den Krieg, doch sie griffen es nicht an und halfen den Polen nicht. Daher betone er immer wieder, dass die Präsenz von NATO-Truppen in seinem Land nötig ist: "Damit die Polen wirklich an die Allianz glauben." Die Entscheidung der NATO für die Präsenz an der Ostflanke ist für ihn der endgültige Beweis, dass diese Länder "keine russische Einflusszone mehr sind".
Auch der tschechische Staatschef Miloš Zeman - der beim NATO-Beitritt seines Landes Premier war - nahm Bezug auf die Geschichte, allerdings in einem anderen Kontext: "Irgendwo in Katar verhandelt man mit den Taliban, in der Hoffnung, dass aus dem Tiger ein Vegetarier wird. Ich möchte davor warnen, dass die erwähnten Verhandlungen hinter dem Rücken der afghanischen Regierung stattfinden, weil wir, die Tschechen, bei Verhandlungen über uns, ohne uns empfindlich sind - wegen der Erinnerungen an das Münchener Abkommen."
"Auch unsere Soldaten sterben"
Der zentrale Gedanke aller Reden bei der Feier in Prag ist: Die Sicherheit eines Staates endet nicht an dessen Grenzen. Aus diesem Grund beteilige sich Tschechien an der Afghanistan-Mission und Ungarn am Schutz des Luftraums der Baltischen Staaten, erklärten die jeweiligen Präsidenten. Aus diesem Grund seien die Polen an allen Orten der Welt präsent, wo die NATO präsent ist, betonte der polnische Staatschef: Sie beteiligen sich an der Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat, sie sind in Afghanistan, im Baltikum, auf dem Balkan, in Rumänien und Afrika, zählte Duda auf. "Auch unsere Soldaten sterben": Mit diesen Worten wandte er sich an den tschechischen Gastgeber, der von den 14 tschechischen Soldaten sprach, die während der Afghanistan-Mission gefallen sind. "Sie sterben, auch um unsere Staaten zu schützen. Wären sie nicht dort gewesen, wo sich die potenziellen Unruheherde befinden - wer weiß, ob es nicht große Sicherheitsbedrohungen in unserem Teil Europas gegeben hätte", sagte Duda.
Zwei Prozent vom BIP für die Verteidigung
Sicherheit gibt es nicht umsonst: Das ist allen Teilnehmern der Präsidentendebatte im Spanischen Saal der Prager Burg klar. Das Thema Verteidigungsausgaben wiederholte sich immer wieder. Polen erfüllt schon jetzt die Verpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung auszugeben. Ein vor kurzem verabschiedetes Gesetz verpflichtet Warschau dazu, diese Ausgaben bis 2030 sogar auf 2,5 Prozent anzuheben, aber Duda schlägt vor, dies Ziel schon 2024 zu erreichen, wenn die Entwicklung der Wirtschaft das ermöglicht. Die drei anderen Visegrad-Staaten verpflichteten sich, bis 2024 das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen.
"Unser Wirken darf nicht Wladimir Putin behilflich sein, der die Allianz spalten und das demokratische System unterminieren will, das die Grundlage unserer Stärke ist", warnte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright auf der Feier in Prag - im Hinblick auf jene NATO-Staaten, die meinen, andere Prioritäten seien wichtiger. "In der NATO reden wir über die Notwendigkeit von zwei Prozent für die Verteidigung", sagte die in Prag geborene US-Amerikanerin. "Wir müssen zu hundert Prozent für die Demokratie sein. Nicht nur in unseren Worten, aber auch in unseren Taten."