Vogelgrippe erreicht Tourismusgebiete
10. Januar 2006Die Vogelgrippe ist in der Türkei erstmals auch in einem Urlaubsort an der ägäischen Küste aufgetaucht. Das Virus sei bei Vögeln in der Stadt Kusadasi (deutsch: Vogelinsel) festgestellt worden, nachdem dort Tauben, Amseln und Ringeltauben verendet seien, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag (10.1.2006). Vier Menschen wurden mit Verdacht auf eine Infektion ins Krankenhaus gebracht.
In der osttürkischen Provinz Sivas steckte sich eine 37-jährige Frau aus einem Dorf nahe der Kleinstadt Kangal mit der Krankheit an. Bei einem weiteren Patienten in der Türkei wurde nach einem Bericht des Fernsehsenders "CNN Türk" eine Vogelgrippe-Infektion nachgewiesen. Er stamme aus der Provinz Sivas im Zentrum des Landes. Damit wären 15 Infektionen bei Menschen in der Türkei nachgewiesen. Eingeschlossen sind darin die drei an der gefährlichen Virusvariante H5N1 verstorbenen Kinder aus der Osttürkei.
Schwerster Ausbruch seit acht Jahren
Die 37-jährige Frau habe verendete Hühner mit bloßen Händen in den Abfall geworfen. Bei ihren drei Kindern im Alter zwischen 8 und 13 Jahren sei der Test negativ ausgefallen. Laut türkischem Gesundheitsministerium ist bei 60 Menschen, die auf H5N1 getestet wurden, keine Infektion festgestellt worden. Bisher war die Vogelkrankheit in Ost- und Zentralanatolien sowie in Istanbul festgestellt worden. Nach Behördenangaben wurden landesweit bisher rund 110.000 Stück Geflügel getötet.
Der WHO zufolge handelt es sich bei allen Infektionen anscheinend um Übertragungen von Tier zu Mensch. Der Ausbruch der Krankheit bei Menschen in der Türkei ist nach Angaben von Experten der schwerste seit dem Ausbruch 1997 in Hongkong, als 18 Menschen infiziert wurden und sechs starben. Unterdessen räumte China den achten Vogelgrippefall bei Menschen ein. Der Zustand des sechsjährigen Jungen aus der zentralchinesischen Provinz Hunan sei stabil, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Peking. Die Zahl der Erkrankungen in China werde vermutlich noch steigen.
Kritik an türkischer Informationspolitik
Warum jetzt in der Türkei solche Infektionen gehäuft auftreten, ist den Experten bislang allerdings rätselhaft, wie Nancy Cox vom US-Zentrum für Krankheitskontrolle und -Vorbeugung sagte. Es sei aber bekannt, dass es saisonabhängige Schwankungen beim Auftreten von Grippeviren in Vögeln gebe und auch bei Grippeinfektionen von Menschen, die vermehrt in der kalten Jahreszeit aufträten, sagte sie. Das Robert-Koch-Institut sieht in der großen Zahl einen Hinweis auf die mangelhafte türkische Informationspolitik. Die Ausbrüche seien "so massiv und so weit verbreitet, dass das Virus schon lange im Land sein muss, nämlich wahrscheinlich Wochen bis Monate", sagte RKI-Präsident Reinhard Kurth im "ARD-Morgenmagazin".
Bei den vier neuen türkischen Verdachtsfällen handelt sich um eine Mutter und ihren zweijährigen Sohn sowie einen 15-jährigen Jungen. Alle drei stammen aus der Provinzhauptstadt Aydin. In einem Viertel von Kusadasi sei zudem ein dreijähriger Junge erkrankt, der mit einem Huhn gespielt haben soll. Ergebnisse der Proben, die in ein Labor nach Istanbul geschickt wurden, seien erst in drei Tagen zu erwarten. Die Behörden ordneten die vorsorgliche Tötung jeglichen Hausgeflügels an. Im Südwesten des Landes trat die Vogelgrippe auch an einem der dortigen Seen auf. Das Virus sei bei verendeten Hühnern in einem Dorf am Beysehir-See festgestellt worden, berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf die Behörden der Provinz Isparta.
Deutsche Reaktionen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, es müsse alles getan werden, um illegale Importe von Geflügel und Geflügelprodukten zu unterbinden. Bei der Klausur der deutschen Regierung bei Berlin wurde Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) beauftragt, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Seehofer will im Laufe der Woche mit seinen Länderkollegen über Grenzkontrollen beraten. Die Vorsitzende des Bundestags-Agrarausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), geht von einem größeren Risiko der Ausbreitung der Tierseuche nach Deutschland aus. "Die Gefahr, dass wir in diesem oder im nächsten Jahr die Vogelgrippe auch bei uns haben werden, ist massiv gestiegen", sagte Höhn. (stu)