Volle Fahrt voraus
23. Februar 2009Er ist groß, schlank, hat dunkelbraune, kurze Haare und trägt eine markante Brille – der 36-jährige Michael Wehrli. Es ist kalt, er steht da, mit den Händen in den Jackentaschen. Sein Traum sei schon immer gewesen, sich selbständig zu machen, sagt Michael Wehrli – schon vor gut zehn Jahren, als er noch Umweltwissenschaften in Zürich studierte. Was fehlte: Die Idee, das Produkt. Da half ihm später der Zufall. Sein Studienkollege war ein Jahr lang in England und hat dort so genannte "Smoothies" kennengelernt. "Als er dann zurückkam, hat er diese 'Smoothies' mitgebracht und mich gefragt, ob mich das interessieren würde", sagt Michael Wehrli.
"Wir können das nicht verkaufen"
In der Schweiz kannte man solche Fruchtsäfte vor gut sieben Jahren praktisch nicht. Eine Nische, dachte sich Michael, und ließ sich vom "Smoothie"-Fieber seines Kollegen anstecken, obwohl eigentlich die Marktsituation nicht für Frucht-Mix-Getränke sprach: "Der Lebensmittelmarkt war und ist gesättigt und stark umkämpft, insbesondere bei den Getränken. Viele potentielle Kunden haben uns gesagt, wir können das nicht verkaufen. Es brauchte sehr viel Zeit, die Leute zu überzeugen und sie dazu zu bringen, es einfach mal zu probieren", erinnert sich Michael Wehrli.
Zusammen mit seinem Kollegen Philippe Schenkel hat er es trotzdem gewagt. Auch wenn viele meinten, das Projekt sei chancenlos. "Für uns war immer klar, dass das etwas wird. Wenn man nicht daran glaubt, bringt man die Energie gar nicht dafür auf", sagt der Existenzgründer.
Vom Verzicht zum Millionenumsatz
Diese Energie haben sie gebraucht, insbesondere in den ersten Jahren, die nicht einfach waren. Die beiden haben viel Geld in das Projekt gesteckt, etwa auf die Hälfte ihres Verdienstes verzichtet. Doch es hat sich gelohnt: Inzwischen hat sich die kleine Start-Up-Firma zu einem etablierten Unternehmen mit sechs Mitarbeitern gemausert. Der Jahresumsatz von "Traktor" betrug im vergangenen Jahr gut eine Million Euro.
Der Fruchtsaft ist ein Trendgetränk geworden. Etwas vergleichbares gar es in der Schweiz noch nicht: "Für uns ist fast noch entscheidender, dass das Konzept 'Smoothie' bekannter wird. Das ist ja nicht einfach ein Getränk – es ist eher eine kleine Zwischenmahlzeit. Und diese Kombination kannte man hier vorher nicht richtig", erklärt Michael Wehrli.
Rund um den Bahnhof Zürich haben vor allem Pendler diese Kombination entdeckt. Was unterwegs konsumiert werden kann, verkauft sich. Das weiß auch die Bäckerei Buchmann, die "Traktor"-Getränke ins Sortiment aufgenommen hat. Michael Wehrli bleibt immer in Kontakt mit der Filialleiterin, fragt nach, ob sie zufrieden sei mit dem Lieferanten. Das gehört zu seiner Vermarktungsstrategie.
Kaufkräftige Kundschaft
Vom Bahnhof aus geht es weiter in die teure Bahnhofstrasse, links und rechts liegen Warenhäuer, Designer-Boutiquen, Schmuckläden. Und die Metzgerei Kauffmann. Drin ist viel los. Kunden, die vor den Auslagen stehen, mit dem Finger auf Pasteten und Würste zeigen. In der Schlange vor der Kasse steht auch eine junge Frau mit einer "Traktor"-Flasche in der Hand. "Hatte gerade Lust auf einen Obstsaft und probiere jetzt mal den. Bio steht drauf, schauen wir mal."
Die Fruchtsäfte haben ihren Preis: Eine 250 Milliliter-Flasche "Traktor" kostet mehr als zwei Euro fünfzig. Doch der Preis sei für die Kunden kein Thema, sagt eine Angestellte. Zufriedene Käufer sowie Verkäufer - das treibt an. Und hat dazu geführt, dass Michael Wehrlis Traum vom eigenen Unternehmen Wirklichkeit wurde. Eben weil er an seine Sache glaubte und den Plan durchzog – mit Leidenschaft und auch mit ein bisschen Glück.