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Vom Bollwerk noch ein Stück entfernt

Joscha Weber24. Juni 2014

Die Abwehr im Fokus: Deutschlands Defensive wird erst hochgelobt und nun infrage gestellt. Das Ghana-Spiel offenbarte Lücken, dennoch soll gegen die USA wohl dieselbe Formation auflaufen.

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Deutschland Fußball Nationalmannschaft Abwehr Mats Hummels Benedikt Höwedes und Per Mertesacker
Bild: imago

"Offence wins games but defence wins championships", sagt eine alte Sport-Weisheit. Sie gilt - mit nur wenigen Ausnahmen - für viele Mannschaftssportarten: Basketball, Handball, Eishockey oder eben auch Fußball. Beispiele? Italien kassierte bei der WM 2006 in Deutschland ganze zwei Gegentore. Vier Jahre später gewann Spanien bei der Weltmeisterschaft in Südafrika mit ebenfalls nur zwei Gegentoren. Auch bei den letzten beiden Europameisterschaften triumphierten die Spanier mit sehr wenig Gegentreffern: 2008 waren es drei und 2012 sogar nur ein einziges.

Eine stabile Defensive ist also die Basis für Erfolg im modernen Fußball, das haben fast alle Teams erkannt - mit Folgen: Seit 1994 nimmt die Zahl der Tore pro WM-Spiel stetig ab. Waren es bei dem Turnier vor 20 Jahren in den USA noch 2,71 Treffer pro Spiel, so fiel die Zahl in Südafrika vor vier Jahren auf 2,23. Ein großer Teil dieser Entwicklung dürfte dabei dem internationalen Siegeszug der Viererkette geschuldet sein. Viele Teams stehen defensiv kompakter als in der Vergangenheit.

Deutschland hält den Gegentor-Rekord

Und Deutschland? Die DFB-Elf hat eine lange Tradition im Verteidigen. Die so genannten "deutschen Tugenden" im Fußball sind unter anderem Einsatzwille, Kampfgeist und eben auch das robuste Abwehrspiel. Zu dieser Tradition gehört aber leider auch diese Zahl: 119 Gegentore - kein Team kassierte bei Weltmeisterschaften mehr Treffer als die deutsche Elf.

In Brasilien wollte Bundestrainer Joachim Löw eine neue Ära einläuten, stellte gleich vier Innenverteidiger in einer Reihe auf. Die Abwehr als Bollwerk und Rückgrat des deutschen Spiels, so war es gedacht. Dann kam das Ghana-Spiel. Es offenbarte erhebliche Lücken in der Verteidigung: Auf den Außenbahnen, über die Ghanas Spieler immer wieder durchstießen und nach innen flanken konnten, und im Zentrum, wo sich Shkodran Mustafi beim Gegentreffer und Philipp Lahm erstaunliche Fehler leisteten. Ist die deutsche Abwehr noch bereit wie nie für den WM-Titel, wie die DFB-Elf wirbt? Momentan gibt es da Zweifel.

Kann Boateng spielen? "Ja!"

Im Portugal-Spiel funktionierten Per Mertesacker und Mats Hummels als ordnende Kräfte im Abwehrzentrum, in der Ghana-Partie war das nicht immer der Fall. "Gegen Ghana haben wir ein paar Schwächen gezeigt, die wir aber kennen und abstellen können", ist Hummels überzeugt und verspricht auf der DFB-Pressekonferenz: "Wir werden den für uns perfekten Weg finden und uns noch steigern."

DFB-Verteidiger Jerome Boateng kann wohl auch gegen die USA spielen. (Foto: Reuters)
DFB-Verteidiger Jerome Boateng kann wohl auch gegen die USA spielenBild: Reuters

Positiv stimmt, dass Jerome Boateng nach seiner bereits zweiten Verletzung während dieser WM (zu einer Handverletzung kam eine neurogene Muskelverhärtung) auch gegen die USA wahrscheinlich auflaufen kann. "Mir geht es heute viel besser und ich kann mit trainieren", sagte der Verteidiger des FC Bayern München im Gespräch mit der DW (ein ausführliches Interview mit Boateng finden Sie am Dienstag auf dw.de/sport). Ob er im letzten Gruppenspiel gegen die USA auch mitspielen kann, beantwortet er mit einem kurzen knappen "Ja!"

Lahms Position steht nicht zur Debatte

So dürfte der Bundestrainer beim Duell gegen seinen Vorgänger Jürgen Klinsmann wieder derselben Formation vertrauen, die er schon in die beiden ersten WM-Spiele geschickt hat: Höwedes, Hummels, Mertesacker und Boateng. Mustafi ist nach seinem Schnitzer gegen Ghana sicher nicht die erste Wahl und ein Zurückbeordern von Kapitän Philipp Lahm steht derzeit nicht zur Debatte, wie Co-Trainer Hansi Flick klarmachte: Mit einem klaren "Nein" beantwortete er die Frage, ob Lahm nicht auch wieder zurück in die Außenverteidigung rücken könne. "Philipp macht seine Sache im Mittelfeld richtig gut, wir sind mit ihm zufrieden."

Lahm und seine Defensivkollegen sollten gegen die lauf- und inzwischen auch spielstarken US-Amerikaner ihre Sache gut machen, wenn die deutsche Mannschaft mit dem Gruppensieg ins Achtelfinale einziehen will, um dort einen schweren Gegner zu vermeiden. Zugleich ist es der letzte Härtetest für die deutsche Abwehr vor den K.o.-Spielen, in denen schon ein kleiner Fehler im Defensivverbund das Aus bedeuten kann.