Hassliebe: US-Präsidenten und die Presse
21. Februar 2017Thomas Jefferson: "Man kann nichts mehr glauben, was man in einer Zeitung sieht"
Im Februar ging ein über 200 Jahre alter Satz durch die US-amerikanische Presse. Bei einer Veranstaltung in Florida hatte kein geringerer als Donald Trump die berühmte Äußerung Thomas Jeffersons zitiert - und damit seine eigene Kriegserklärung gegen Journalisten verteidigt. Viele große Präsidenten hätten die Medien und ihre "Lügen" bekämpft, so Trump vor seinen jubelnden Anhängern.
Tatsächlich war Jefferson, der dritte Präsident der USA, einer der stärksten Verfechter der Pressefreiheit. 1787 schrieb er, wenn es nach ihm ginge, seien "Zeitungen ohne eine Regierung" besser als "eine Regierung ohne Zeitungen". Später bezeichnete Jefferson die Presse als "Alarmglocke der Gesellschaft". Sein Zeitgenosse James Madison gilt als Vater der Verfassung, in der die Pressefreiheit als Grundrecht festgeschrieben ist.
Der von Trump zitierte Satz stammt aus der Zeit, als Jefferson bereits Präsident war. Seine wachsende Abneigung gegen Zeitungen hatte einen einfachen Grund: Das Zweiparteiensystem in den USA habe sich erst mit Jefferson entwickelt, "und damit auch eine Presse, die entlang der Parteilinien organisiert war", erklärt der Historiker und USA-Experte Norbert Finzsch. "Die Zeitungen der eher konservativen Federalists gingen sehr kritisch mit Jefferson ins Gericht und er musste seine eigene Parteipresse dagegensetzen." Trotz seiner Frustration verteidigte Jefferson die Pressefreiheit bis zu seinem Tod.
Abraham Lincoln: "Die öffentliche Meinung ist alles"
Der 16. US-Präsident wusste genau um die Macht der Medien - und versuchte, sie für seine Zwecke einzusetzen. Anders als Obama und Trump musste er sich die Reichweite von Zeitungen zunutze machen. 1859 ging Lincoln sogar so weit, während des Präsidentschaftswahlkampfes den deutschsprachigen "Illinois Staats-Anzeiger" zu kaufen, um sich die Stimmen deutscher Einwanderer zu sichern.
Laut dem US-amerikanischen Historiker Harold Holzer manipulierte Lincoln die Presse "wie kein anderer Präsident". Ihm wohlgesinnten Journalisten steckte er Informationen zu oder belohnte sie mit Regierungsposten, missliebige umgarnte er. Einige landeten auch im Gefängnis. Das berühmte Dokument zur Befreiung der Sklaven konnte der Republikaner wohl nur dank der Presse durchbringen. "In dieser Zeit, in diesem Land ist die öffentliche Meinung alles", sagte Lincoln einmal. "Mit ihr kann nichts scheitern, gegen sie kann nichts gelingen."
John F. Kennedy: "Eine unbezahlbare Waffe"
Ob er immer noch viel Zeitung lese, wollten Journalisten 1962 von John F. Kennedy wissen. Es sei nie angenehm, sich mit unerfreulichen Nachrichten zu befassen, antwortete der Demokrat, aber die Presse sei "eine unbezahlbare Waffe für die Präsidentschaft, als Kontrolle dessen, was in der Regierung passiert, und dadurch erfahre ich viel mehr Dinge, die mir Sorgen machen oder mir Informationen geben."
Der 1963 ermordete Kennedy galt als leidenschaftlicher Zeitungsleser. Er war aber auch der erste Präsident, der erfolgreich das Fernsehen nutze, um mit der Bevölkerung zu kommunizieren. Allein seine erste Pressekonferenz sahen 65 Millionen TV-Zuschauer.
Richard Nixon: "Die Presse ist der Feind"
Lange vor Trumps Twitter-Tiraden bezeichnete schon ein anderer Mann im Weißen Haus die Presse als "Feind" - allerdings nicht öffentlich, sondern in einem Telefonat mit Henry Kissinger. Das während seiner Präsidentschaft immer stärker belastete Verhältnis zwischen Richard Nixon und den Medien erreichte mit der Watergate-Affäre seinen Tiefpunkt. 1973 berichteten die Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward in der "Washington Post" über einen von Nixon-Mitarbeitern beauftragten Einbruch in das Hauptquartier der Demokraten im Washingtoner Watergate-Hotel. Dabei sollten unter anderem Abhörwanzen installiert werden.
Woodward und Bernstein bekamen den Pulitzer-Preis, Nixon trat 1974 unter massivem Druck zurück - als einziger Präsident in der Geschichte der USA. 1977 versuchte er sich in einem Interview mit dem britischen Moderator David Frost zu rehabilitieren. Frost brachte Nixon allerdings durch gezielte Fragen dazu, seinen Verrat an den Interessen der US-amerikanischen Bevölkerung einzuräumen.
Ronald Reagan: "Jeder Präsident versucht, die Presse zu seinem Vorteil zu nutzen"
Sie nannten ihn "The Great Communicator". Der ehemalige Schauspieler Ronald Reagan war ein Meister der Inszenierung - und der Liebling der Nation. Schon zu Nixons Zeit sei dafür gesorgt worden, dass der Präsident nicht in Situationen geriet, in denen er spontan mit Reportern umgehen musste, sagt Norbert Finzsch. Unter Reagan wurde das System perfektioniert: "Seine Auftritte im Fernsehen waren sorgsam orchestriert, es gab immer US-amerikanische Flaggen im Hintergrund und es waren ausschließlich freundliche Journalisten anwesend."
Jeder Präsident versuche, "die Presse zu seinem Vorteil zu nutzen und Situationen zu vermeiden, die für ihn nicht vorteilhaft sind", sagte der Republikaner gegen Ende seiner Amtszeit. Die Medien könnten sehr gut auf sich selbst aufpassen. "Und ein Präsident sollte auch auf sich selbst aufpassen dürfen."
Barack Obama: "Wir hatten immer das selbe Ziel"
Twitter, Facebook, Instagram, YouTube, Snapchat: Keinem anderen Präsidenten standen so viele Kanäle offen, um sich persönlich an die Bürger zu wenden. Mit Auftritten in Late Night Shows und Interviews mit YouTube-Stars konnte Obama bei den Jungen punkten, die Klaviatur der Social-Media-Kommunikation spielte er bis zum Schluss souverän.
Seine Beziehung zu den traditionellen Medien war angespannter: 2015 ergab eine Analyse der Associated Press, dass nie so viele Regierungsakten zensiert, nie so häufig der Zugang zu Informationen beschränkt wurde wie unter Obama. Journalisten und Organisationen forderten wiederholt mehr Transparenz von seiner Administration. "Ich weiß, dass wir manchmal Meinungsverschiedenheiten hatten", räumte Obama im April 2016 mit Blick auf sein Verhältnis zu den Medien ein. "Aber wir hatten immer dasselbe Ziel: unseren öffentlichen Diskurs in der Wahrheit zu verankern."
Donald Trump: "Der Feind des amerikanischen Volkes"
Es wäre eine Untertreibung zu sagen, der 45. Präsident der Vereinigten Staaten stehe mit den Medien auf Kriegsfuß. Fast täglich attackiert Trump die Presse über sein Lieblingssprachrohr Twitter - allenfalls der rechtskonservative Sender Fox News findet hin und wieder lobende Erwähnung. Einen Höhepunkt erreichten die Spannungen im Februar, als Trump eine Reihe etablierter Medien zum "Feind des amerikanischen Volkes" erklärte. Am Vortag hatte er bei einer vielbeachteten Pressekonferenz verkündet, er ziehe es vor, "direkt mit der amerikanischen Bevölkerung" zu sprechen, denn die Presse sei "völlig außer Kontrolle".
Ob es um die Mauer an der mexikanischen Grenze, um die jüngsten Umfragewerte oder um eine mögliche Einflussnahme Russlands im US-Wahlkampf geht - für Trump gilt: Nachrichten, die ihm nicht passen, können nicht wahr sein. Während sein Pressesprecher Sean Spicer und er selbst regelmäßig mit falschen Behauptungen Schlagzeilen machen, wiederholt der Präsident bei öffentlichen Auftritten und in den sozialen Netzwerken gebetsmühlenartig das Mantra, die Medien seien "unehrlich" und kritische Berichte "Fake News".
Ist Trumps Verhalten einmalig in der Geschichte der USA? Ja und nein, sagt Norbert Finzsch: "Die Taktik, die Medien zu umgehen, einen ausgewählten Kreis von Journalisten um sich herum zu scharen und selektiv Informationen weiterzugeben, ist nichts Neues." Das sei seit Nixon die Standardstrategie im Weißen Haus. Auch George W. Bush und Obama hätten es so gemacht. Neu sei, dass Trump die Presse nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich als Feind brandmarkt, anstatt nur sie nur als Gegner zu denken. Auch dafür hat Finzsch eine Erklärung: "Das ist Bestandteil seiner Gesamtstrategie, sich als Außenseiter darzustellen."