Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat
1. August 2010Das ist doch – man kann es nicht anders sagen – alles Scheiße. Begegnet man Werner Holzwarth mit diesem Satz, lacht er herzhaft auf. "Ja genau, Scheiße!" setzt Holzwarth nach und lässt sich mit einem verschmitzten Lächeln in die Ledercouch sinken. Wir trinken Kaffee, essen Apfelstrudel und reden über das, was hinten dabei rauskommt.
"Damals, Mitte der Achtziger, mein Sohn war vielleicht drei oder vier", schwärmt Holzwarth und lässt den Blick aus dem Fenster wandern, "da spazierten wir in Frankfurt durch den Park. Wenn man gerade laufen lernt, ist man dem Boden recht nah und schaut woanders hin, als wenn man 1,75 Meter groß ist. Er sah halt immer diese Hundehaufen und wollte damit spielen. Da dachte ich mir, um ihn irgendwie da weg zu kriegen, kaufst du ein Buch." Da gab's aber kein Buch. So schrieb er’s einfach selbst.
Vom Maulwurfshügel
Der Plot ist schnell erzählt und passt im Buch auf 20 Seiten. Kommt ein Maulwurf aus seinem Hügel und – plong – landet etwas auf seinem Kopf. Dem kleinen Kerl ist anzusehen, er ist empört. Entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen, flitzt der namenlose Held auf kurzen Beinen und erhobenen Hauptes von Seite zu Seite, von Tier zu Tier, von Hasenköttel zu Kuhfladen. Ratatata oder klackediklack, jedes Tier macht eben anders. Aber Taube, Pferd, Schwein oder Ziege – keiner will's gewesen sein. Auf der Suche nach der einen und scheinbar wesentlichen Frage ist der Kleine äußerst hartnäckig. "Ein Charakter ganz nach meinem Geschmack", so Holzwarth. "Der lässt sich nicht alles bieten!"
Vom Suchen und Finden
Da die Suche dem Menschen nicht ganz unbekannt und auch das Finden ganz in seinem Sinne ist, schlug das Bilderbruch ein wie eine Bombe. Seit seinem Erscheinen 1989 verkaufte es sich 1,2 Millionen Mal im deutschsprachigen Raum. Und nicht nur das. In 33 Sprachen wühlt sich der Maulwurf durch die Welt. Ob in China, Bolivien, Saudi-Arabien oder Island – überall kennt man den neugierigen Graber. "Ich hätte nie gedacht, dass es da überall Maulwürfe gibt, niemals", staunt Holzwarth und schüttelt den Kopf. Ist er auf Reisen, schaut er gern mal in die Regale der Kinderbuchläden. Er findet für ihn unaussprechliche Titel seines Kinderbuches auf Finnisch oder Türkisch und ist gleichzeitig erstaunt und geschmeichelt. "Dabei fanden es am Anfang alle ekelhaft", meint Holzwarth und verzieht das Gesicht. "Das war ein Tabuthema. Welche Oma kauft ihrem Enkel schon ein Buch über Scheiße?"
Wie ein Staubsaugervertreter sei er zwei Jahre lang von Verlag zu Verlag gerannt. "Zu unappetitlich, Alt-68er-Kram", befanden die Herausgeber und ließen die Finger davon. Doch die Ablehnung der anderen hielt Holzwarth nicht auf. Er suchte sich einen Illustrator und fand in Wolf Erlbruch den richtigen Mann für den richtigen Stoff. Beide kannten sich aus der Werbebranche - Holzwarth der Kreativdirektor, Erlbruch der Grafikdesigner. Der Peter Hammer Verlag, ein kleines Haus mit Kinderbüchern und ethnologischen Titeln im Programm, sagte schließlich Ja. "Es hat einfach eine Marktlücke erwischt", meint Holzwarth und nickt mit dem Kopf, als würde er noch immer selbst darüber staunen. "Und natürlich, dass er ein toller Illustrator dabei ist." Für Wolf Erlbruch stand der Maulwurf am Anfang einer großen internationalen Karriere als Illustrator.
Auge um Auge, Zahn um Zahn
"Die allerschönste Umsetzung vom Maulwurf ist die französische Ausgabe für Blinde", findet Holzwarth und streicht mit der Hand über Maulwurfshügel aus Sandpapier und Schweineohren aus Leder. "Eine äußerst haptische Angelegenheit." Nunmehr, nach seinem 20. Geburtstag, hat der kleine Maulwurf in vielerlei Form Gestalt angenommen. Es gibt ihn als Kinderbuch, als Hörkassette oder Musical. Kinder spielen das Stück auf der Bühne. Und auch die Fortsetzung der Geschichte ließ nicht lange auf sich warten, denn für Holzwarth war sie noch nicht zu Ende. Schließlich fand der kleine Maulwurf den Übeltäter. Der Metzgershund Hans-Heinerich war's! Auge um Auge, Zahn um Zahn - der Maulwurf rächt sich. Und dann ...? "Klar, dieser Hund, der wacht auf, der merkt doch, dass er was auf dem Kopf hat. Das lässt der nicht auf sich beruhen. Das ist doch klar, dass der jetzt weiter macht." Eine wunderbare Gelegenheit für Holzwarth, die Geschichte fortzuschreiben.
"Die Rache des Hans-Heinerich" ist als Musical erschienen, mit Liedtexten von Werner Holzwarth. Eine heimliche Leidenschaft, gibt er zu. "Also, auf Musik zu texten, da kenne ich dann keine Zeit mehr und keine Nacht mehr. Das bin wahrscheinlich halt ich. Ich will überall ein bisschen rumschnuppern, will nicht so einseitig sein."
Autorin: Stefanie Duckstein
Redaktion: Gabriela Schaaf
Werner Holzwarth, Wolf Erlbruch: Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. Peter Hammer Verlag. 24 Seiten. 9,90 Euro.