Reformprojekt UNO
23. Oktober 2006Von außen sieht man es dem UN-Hauptquartier nicht an, aber im Inneren "kracht es in allen Balken" - so eine hochrangige Mitarbeiterin von Generalsekretär Kofi Annan. Wegen Asbest-Belastung, schlechter Isolierung und maroder Leitungen soll der 38-stöckige Bau am East River bald geräumt und grundsaniert werden. Kein Wunder, schließlich ist er Ende der 1940-er Jahre errichtet und seitdem nie renoviert worden.
So renovierungsbedürftig das Gebäude ist, so reformbedürftig sind auch die Vereinten Nationen selbst. Die Organisation trägt noch immer den Stempel des Zweiten Weltkriegs, in dessen Folge sie gegründet wurde. Bestes Beispiel ist der Sicherheitsrat, wo die fünf Siegermächte - USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China - nicht nur als einzige ständig vertreten sind, sondern auch ein Veto-Recht haben.
Der Gegenwart anpassen
Generalsekretär Kofi Annan berief deshalb eine international besetzte Reform-Kommission ein. Sie sollte Vorschläge erarbeiten, die dann bei der 60. UN-Vollversammlung vor einem Jahr vorgelegt wurden. "Um ihren Auftrag zu erfüllen, müssen die Vereinten Nationen an die Realitäten der Gegenwart angepasst werden", erklärte Annan. Vonnöten sei eine effiziente Weltorganisation, die sowohl der Öffentlichkeit als auch den Regierungen verantwortlich ist.
Das Kernstück war dabei die Reform des Sicherheitsrats. Einige Staaten - Deutschland, Japan, Indien und Brasilien - strebten selbst einen ständigen Sitz an. Andere, mit Mexiko und Pakistan an der Spitze, wollten genau das verhindern. Dann bildete sich mit der Afrikanischen Union eine dritte Fraktion, die ein Konzept mit ständigen Sitzen für afrikanische Staaten vorlegte. Bei so viel Uneinigkeit brauchte es gar nicht mehr das gefürchtete Veto der USA, um jegliche Veränderung des Status Quo zu verhindern.
Schaffung eines Menschenrechtsrats
Beschlossen wurde hingegen die Ablösung der ineffizienten Menschenrechtskommission, die viel debattierte, aber keine Sanktionen verhängen konnte. Als noch größeres Problem stellte sich heraus, dass sich regelmäßig Staaten in das Gremium wählen ließen, um zu verhindern, dass Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land angeprangert wurden. Stattdessen wollte man einen neuen Menschenrechtsrat schaffen, was allerdings in den Monaten nach dem Beschluss noch ein zähes Ringen um Details nach sich zog. Als größter Gegner hatten sich die USA erwiesen. Die Hürden, um in den Rat hinein gewählt oder wieder hinausgeworfen zu werden, waren Washington zu niedrig. Außerdem kritisierten sie, dass es keinen automatischen Sitz für die fünf Veto-Mächte geben sollte. Als dann die Wahl der Mitglieder des Menschenrechtsrats anstand, bewarben sich die USA nicht einmal um einen Sitz.
Allen Skeptikern hält die zuständige UN-Hochkommissarin Louise Arbour entgegen, dass jeder Staat überprüft werde und zwar fair und transparent. Die Länder müssten sich äußern und Stellung nehmen können. Auch die Zivilgesellschaft, die Medien und nationale Institutionen müssten sich bei der Überprüfung beteiligen können. "Diese universale Überprüfung ist der einzige wirklich neue Ansatz in diesem zwischenstaatlichen System."
Wendepunkt
Die zweite wichtige Neuerung ist die Schaffung einer Kommission für Friedenskonsolidierung. Hier werden vor allem Blauhelm-Einsätze wie die UNIFIL im Libanon zentral vorbereitet und koordiniert. Es ist aber auch eine Stelle, wo Erfahrungen aus ehemaligen Kriegs- und Krisenregionen zusammenfließen, zum Beispiel bei der humanitären Hilfe oder beim Wiederaufbau der staatlichen Institutionen. "Diese Neuschaffung markiert einen Wendepunkt in unserem Bemühen, Staaten zu helfen, den schwierigen Übergang vom Krieg zum Frieden zu bewerkstelligen", formuliert Annan das Ziel.
Als weiteren Punkt auf der Reform-Agenda setzte Annan das Management der UNO - eine ureigene Aufgabe des Generalsekretärs selbst. So hat Annan beispielsweise mehrere UN-Büros zusammengelegt und dadurch rund 1.000 Stellen eingespart.