Von Abzug keine Spur
31. Juli 2008Die Invasion im Irak wurde vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erst rückwirkend legitimiert. Resolution 1483 vom 22. Mai 2003 gab den US-Truppen und ihren Verbündeten offiziell den völkerrechtlichen Status einer Besatzungsmacht – mit allen völkerrechtlichen Verpflichtungen, die daraus resultieren. Ein Mandat der UN war dies gleichwohl nicht, auch wenn es von Washington gerne als solches dargestellt wird. Die wiederholten Verlängerungen werden von den USA als internationale Akzeptanz der amerikanischen Präsenz im Irak interpretiert. Die letzte Verlängerung fand am 18. Dezember 2007 statt und läuft mit dem Jahresende 2008 aus. Ob es eine Verlängerung geben wird, steht in Frage. Immerhin sind die ursprünglichen Ziele erreicht: Der Sturz Saddam Husseins und Beseitigung der Massenvernichtungswaffen (selbst, wenn es solche gar nicht gab). Deswegen versucht Washington nun, mit dem Irak ein Truppenstationierungsabkommen SOFA (Status Of Forces Agreement) herbeizuführen - bisher ohne Erfolg.
Bis zum 31. Juli wollten Washington und Bagdad sich eigentlich auf ein Abkommen einigen, das die gegenseitigen Beziehungen auf politischer, wirtschaftlicher, kultureller Ebene sowie im Sicherheits-Bereich regeln sollte. Diese Vereinbarung zwischen US-Präsident George W. Bush und dem irakischen Regierungschef Nouri al Maliki vom November letzten Jahres wird nun nicht umgesetzt, weil man sich bisher auf die Details eines solchen Abkommens nicht hat einigen können. Meinungsverschiedenheiten gibt es nicht nur auf offizieller Ebene, sondern auch unter den Irakern und in Washington.
Was darf Bush?
Im US-Kongress ist eine heftige Diskussion im Gange, in welchem Umfang man in die Verhandlungen eingebunden sein müsse: Die einen argumentieren, ein amerikanisch-irakisches Abkommen dieser Art komme einem internationalen Vertrag gleich, für den eine Zustimmung des Kongresses notwendig sei, weil hiervon auch künftige amerikanische Regierungen betroffen sein werden. Andere gestehen Präsident Bush das Recht zu, das Abkommen auch ohne Konsultation mit dem Kongress abzuschließen. Auch im Irak gibt es Kritik, dass das Parlament bisher an den Verhandlungen nicht beteiligt gewesen sei. Da Ende des Jahres und nächstes Jahr Wahlen anstehen, fühlt sich die Regierung unter wachsendem Zwang, mit solch einem Abkommen eine Perspektive für den Abzug der US-Truppen zu eröffnen.
Einen festen Zeitplan für den Abzug lehnt die irakische Regierung aus Furcht vor einem erneuten Ansteigen der Gewalt zwar ab, aber in den bisherigen Verhandlungen hatten die USA noch nicht einmal andeutungsweise vom Abzug gesprochen. Eher das Gegenteil ist der Fall: Es häufen sich die Anzeichen dafür, dass Washington seine Stellung im Irak zementiert. Da ist zum Beispiel der Bau der größten US-Botschaft weltweit in der Grünen Zone Bagdads – eine Hochsicherheitszone für Milliarden von Dollars. Dutzende amerikanischer Militärbasen im Irak werden ausgebaut. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, gelegentlich sprachen US-Vertreter gar von der Notwendigkeit, über 100 Militärlager auszubauen und auch in Zukunft beizubehalten. Diese Zahl wurde inzwischen aber offenbar reduziert, dafür werden die verbliebenen Basen umso größer. Zum Beispiel die Luftwaffenbasis Tallil bei Ur, der vielleicht bedeutendsten archäologischen Stätte des Irak: Hier hatte es zwar bereits zu Saddams Zeiten eine Luftwaffenbasis gegeben, das Pentagon hat sie inzwischen aber zur größten im Mittleren Osten ausgebaut. Oder die Luftwaffenbasis Balad, knapp hundert Kilometer nördlich von Bagdad: Auch hier wurde für Abermilliarden ein Stützpunkt auf- und ausgebaut, auf dem künftig bis zu 40.000 Militärs stationiert sein sollen.
Ein weiteres und grundlegendes Problem bei den irakisch-amerikanischen Verhandlungen war schließlich die Frage, welche Aufgaben, Funktion und welche Rechte die US-Streitkräfte haben werden. Gegenwärtig unterliegen diese nur amerikanischem Gesetz – und auch das tatsächlich meistens nicht. Der frühere US-Vertreter in Bagdad, Paul Bremer, hatte mit seiner Order 17 auch die privaten Sicherheitsfirmen wie Blackwater vor dem Zugriff durch irakische Behörden geschützt und auch daran sollte sich nichts ändern. Washington vertrat in den bisherigen Verhandlungen den Standpunkt, dass die Amerikaner im Irak weiterhin unbehindert Jagd auf Terroristen machen dürften. Wobei auch dies nicht klar definiert wurde sondern eher "Carte Blanche" sein sollte für unkontrollierbare und durch die Iraker nicht zu beeinflussende Einsätze des US-Militärs.
Versuch der Verlängerung
Ministerpräsident Maliki konnte solche Bedingungen nicht akzeptieren und es gab keine Einigung. Bis zum Ablauf des vermeintlichen UN-Mandats sind es noch fünf Monate und Washington dürfte sich nun verstärkt darum bemühen, eine weitere Verlängerung durch den Sicherheitsrat durchzusetzen. Denn so eigenmächtig das amerikanische Verhalten im Irak auch sein mag, ganz ohne wenigstens ein bisschen internationale Legitimierung für den Einsatz scheint man sich im Weißen Haus doch nicht wohl zu fühlen.