Von der Leyens Zeitplan gerät ins Rutschen
26. September 2019"Niemand kann sagen, was nun passiert", sagte die französische Linken-Abgeordnete Manon Aubry nach einer Sitzung des mächtigen Rechtsausschusses des Europaparlaments. Die Mitglieder des Gremiums hatten sich in einem Votum dagegen ausgesprochen, dass die Bewerbung der rumänischen Sozialdemokratin Rovana Plumb mit der geplanten Anhörung in die nächste Phase geht. Auch dem früheren ungarischen Justizminister Laszlo Trocsanyi verweigerten die EU-Abgeordneten die Freigabe für die Befragung im EU-Parlament.
Bei Plumb ging es um Kredite in Höhe von fast einer Million Euro, bei Trocsanyi um die Tätigkeit seiner Anwaltskanzlei zu seiner Zeit als Justizminister Ungarns. Der Rechtsausschuss prüft Vermögensverhältnisse und frühere Tätigkeiten auf Interessenkonflikte mit dem Job in der EU-Kommission. Plumb und Trocsanyi wurden dabei als einzige Bewerber zu einer mündlichen Anhörung einbestellt.
"Ich habe nichts Falsches getan"
Plumb hatte sich 800.000 rumänische Lei (etwa 170.000 Euro) privat geliehen und dieselbe Summe ihrer Partei PSD gespendet, um als Kandidatin für das EU-Parlament aufgestellt zu werden. Den Kredit hatte sie - wie ein weiteres Darlehen - zwar in einer Vermögenserklärung in Rumänien erwähnt, nicht aber gegenüber dem EU-Parlament. "Ich habe nichts Falsches getan", sagte Plumb vor dem Ausschuss in Brüssel. Sie habe stets Recht und Gesetz respektiert und so transparent wie möglich gehandelt. Plumb sollte nach von der Leyens Vorschlag eigentlich Verkehrskommissarin werden.
Beim ungarischen Kandidaten Laszlo Trocsanyi sah der Ausschuss den Interessenkonflikt in seiner Beteiligung an einer Anwaltskanzlei. Der Politiker aus der Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban ist als Kommissar für die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik vorgesehen. Von der Leyen hatte Anfang September die 26 Kandidaten aus den EU-Staaten für ihre neue Kommission vorgestellt.
Von der Leyen sucht den Dialog mit dem Parlamentspräsidenten
Ab kommendem Montag müssen sich die Nominierten den zuständigen Ausschüssen des Europaparlaments stellen, und auch hier könnten Abgeordnete noch einmal Vorbehalte geltend machen. Die Anhörungen der neuen EU-Kommissare sind eine rechtliche Vorbedingung dafür, dass die Behörde unter Leitung der designierten Präsidentin Ursula von der Leyen im November ihre Arbeit offiziell aufnehmen kann. Doch Plumb und Trocsanyi sind nach dem Votum des Rechtsausschusses noch nicht einmal für die Befragungen zugelassen.
Von der Leyen kündigte ein Treffen mit Parlamentspräsident David Sassoli an, um weitere Schritte zu besprechen. "Wenn die beiden durchgefallenen Kandidaten ihre Interessenkonflikte nicht schnellstmöglich ausräumen, muss Ursula von der Leyen die ungarische und rumänische Regierung bitten, neue Kandidaten vorzuschlagen", erklärte der Vize-Ausschussvorsitzende Sergey Lagodinsky von den Grünen.
Ungarn zeigen sich empört
Von der Leyen wird vorgehalten, sie habe die Kandidaten der EU-Staaten nicht genau genug geprüft. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Sie wird jetzt erklären müssen, warum sie die Vorschläge aus Rumänien und Ungarn überhaupt akzeptiert hat."
Der Fidesz-Europaabgeordnete Jozsef Szajer reagierte empört auf das Votum des Ausschusses. Im regierungsnahen Nachrichtensender Hir TV sprach er von einer "politischen Hexenjagd" und meinte: "Laszlo Trocsanyi wird nur deshalb angegriffen, weil er die Gesetze ausgearbeitet hat, dank derer Ungarn in der Lage war, die illegale Massenmigration erfolgreich zu stoppen."
rb/se (afp, dpa, rtr)