Mit der Industrie auf Tour
6. Mai 2009Eine schnaubende schwarze Schmalspur-Dampflok fährt in den kleinen Bahnhof Klostermansfeld in Sachsen-Anhalt ein. Die Lok zieht vier Waggons aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Seit über hundert Jahren prägt die Mansfelder Bergwerksbahn die hügelige Landschaft in dem Bergbaugebiet „Mansfelder Land“ und ist damit die älteste Schmalspurbahn Deutschlands. Auch wenn sie heute keine Bergleute mehr von Schacht zu Schacht fährt, ist die von einem engagierten Eisenbahnerverein betriebene Bergwerksbahn ein Objekt industrieller Bedeutung. „Die Bergwerksbahn fährt durch eine Gegend, die seit über 800 Jahren vom Bergbau geprägt ist“, sagt Thomas Fischer, der Vorsitzende der Mansfelder Bergwerksbahn e.V. Schon Hans Luther, der Vater des großen Reformtors Martin Luther, hat selbst Bergbau betrieben und bei Mansfeld einen eigenen Kupferschieferschacht betrieben.
Bahnbrechende Erfindungen
"Ohne die Bergwerksbahn hätte das Kupferschiefer in der Industrialisierung längst nicht so schnell gefördert werden können", sagt Fischer, der in einer Schutzweste die Bergwerksbahn erklärt. Und das bis 95-prozentig reine Kupfer war bis in die 90er Jahre auf dem Weltmarkt heiß begehrt. Auch dank der Bergwerksbahn. Somit ist die Mansfelder Schmalspurbahn prädestiniert für die Europäische Route der Industriekultur, kurz ERIH. Diese Route will auf über 800 europäische Industrieobjekte aufmerksam machen, die von herausragender Bedeutung sind, eine Gegend maßgeblich beeinflusst haben oder eine bahnbrechende Erfindung ihrer Zeit waren. Einige Beispiele in den europäischen Nachbarländern sind die Ziegelei De Panoven in den Niederlanden, die Pilsener Urquellbrauerei in Tschechien oder die Kupfermine Falun in Schweden. In Deutschland gehören dazu: das Weltkulturerbe Zeche und Kokerei Zollverein, das Industriemuseum in Brandenburg/Havel oder die AEG-Turbinenfabrik in Berlin.
Arbeit am Image
Das jüngste Kind der Europäischen Industrieroute ist das mitteldeutsche Bundesland Sachsen-Anhalt. Es gehört seit Mitte April zu der Europäischen Route der Industriekultur. „Hier waren im 19.Jahrhundetr die Hightech-Unternehmen der damaligen Zeit angesiedelt", erklärt Harald Wetzel. Er koordiniert die ERIH in Sachsen Anhalt. "Mit den Grusonschen Werken in Magdeburg oder den Junkerswerken in Dessau hatte das heutige Sachsen-Anhalt die Nase vorn." Das Bundesland zwischen Harz und Havel wartet mit Industriedenkmälern vom Feinsten auf. Wem Bitterfeld noch durch Sprüche über die DDR-Chemiedreckschleuder bekannt ist, wird sich wundern, wie sich die Gegend von Anhalt-Bitterfeld verändert hat. Die Kulturlandschaft am Goitzsche-See zeigt es – Kultur und Industrie verbinden sich. Oder das Wasserstraßenkreuz von Magdeburg. Es setzt sich aus vier verschiedenen Bauwerken zusammen: dem Schiffshebewerk Rothensee, der Doppelsparschleuse Hohenwarthe, dem Hafen von Magdeburg und der längsten Kanalbrücke Europas, die den Mittellandkanal in einer Länge von 910 Metern über die Elbe führt.
Touristischer Magnet
"Wir haben hier Besucher aus ganz Europa, die wie kleine Jungs von der imposanten Technik begeistert sind", sagt Lutz Wittkopf. Der pensionierte Ingenieur führt Schulklassen, Familien und Touristen durch das Wasserstraßenkreuz. "Seit der Eröffnung des Wasserstraßenkreuzes 2003 ist nun ein europäischer Wasserkreislauf möglich: über die Elbe, Havel, Ostsee, Nordsee, Rhein und wieder zurück zur Elbe", schwärmt Wittkopf. Die Route de Industriekultur bringt den einzelnen Ländern oder Industrieobjekten zwar keine zusätzliche finanzielle Förderung durch die EU, aber eine gemeinsame Vermarktung. Und das europaweit.
Europäische Plattform
"Die ERIH ist die gemeinsam Plattform für alle 845 europäischen Objekte, das macht die Besucher neugierig", erklärt Harald Wetzel. Für das Wasserstraßenkreuz in Magdeburg oder die Mansfelder Bergwerksbahn bedeutet das: sie werden in einem Atemzug mit der Ziegelei De Panoven in den Niederlanden, der Pilsener Urquellbrauerei in der Tschechei oder der Kupfermine Falun in Schweden genannt. Und andersherum auch. Und vielleicht kann Lutz Wittkopf dank des ERIH-Marketings auch bald schon noch mehr internationale Gäste am Wasserstraßenkreuz Magdeburg begrüßen.
Autorin: Victoria von Gottberg
Redaktion: Sabine Oelze