Was Hüte aus uns machen
20. Dezember 2019Kann man sich in Deutschland mit der jüdischen Kippa auf die Straße trauen? Sollte eine Muslima mit dem Kopftuch Schüler unterrichten? Nicht erst in jüngster Zeit bieten Kopfbedeckungen und ihre Symbolik Stoff für Auseinandersetzungen. "Kopfbedeckungen erzählen Geschichte und Geschichten", weiß Museumsdirektorin Paula Lutum-Lenger, "in unserer Ausstellung geht es um Macht, Ordnung und Auflehnung, um Tradition, Revolution und Religion, um richtig oder missverstandene und widersprüchliche Symbole."
Der Streit um das Kopftuch steht denn auch am Anfang der Stuttgarter Schau. "Das Kopftuch ist ein vieldeutiges Zeichen", erklärt Kurator Sebastian Dörfler. "Manche Muslimin legt es als Symbol der Unterdrückung bewusst ab. Für manche Trägerin ist es Teil ihrer Religion und ihrer Persönlichkeit." Dörfler und sein Mitkurator Immo Wagner-Douglas zeigen unter anderem ein Kopftuch der Lehrerin Fereshta Ludin. Die Muslima stritt vergeblich vor dem Bundesverfassungsgericht dafür, mit dem Glaubenssymbol unterrichten zu dürfen. Auch die Kopftücher traditioneller Christinnen spielen in der Ausstellung eine Rolle.
Wie leuchtende Schaufenster führen die 44 Vitrinen in verschiedene Zeiten und erzählen Geschichten rund um Kopfbedeckungen. Denn ob züchtig, martialisch oder einfach nur modisch - so vielfältig die Form, so unterschiedlich kann ihre Wirkung sein. Die Pickelhaube etwa zeugte von Macht, die Cloche von Stil, der Zylinder von Stand, der badische Heckerhut von Haltung, der Pussyhat von Protest. Im Alltag war der Männerhut ein Muss: Er bestimmte bis Ende der 1960er Jahre das Straßenbild in Deutschland.
"Kleidung ist Sprache"
Die Ausstellung führt durch Zeiten, in denen Kleidung ohne Kopfbedeckung nicht vollständig war. Manche Kopfbedeckungen zierten berühmte Häupter wie die des Literaten Friedrich Schiller, des Heißluftballon-Erfinders Ferdinand Graf von Zeppelin oder des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss. Manche Mütze erzählt eine tragische Geschichte, wie jene Studentenmützen, die lange im Besitz einer Studentenverbindung blieben, weil sie von ihren Trägern nicht mehr abgeholt wurden – die jungen Männer waren im Ersten Weltkrieg gefallen. Andere hatten mehr Glück: In zwei der ausgestellten Militärhelme blieben Geschosse stecken.
Die Schau zeigt schließlich auch, über welche Kopfsachen heute diskutiert wird. "Kleidung ist Sprache", stellt Kurator Schaller fest und warnt zugleich: "Man muss auf den einzelnen Menschen schauen und darf niemanden nur wegen seiner Kopfbedeckung in eine Schublade stecken!"
Die Ausstellung "Hut ab! Pickelhaube, Pussyhat und andere Kopfgeschichten" ist noch bis zum 2. August 2020 im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart zu sehen.