Armut macht krank
4. September 2013Das Hochwasser in Süd- und Ostdeutschland in diesem Sommer hat acht Todesopfer gefordert. Bei den Überschwemmungen in Pakistan im Juli und August 2010 sind 1700 Menschen ums Leben gekommen. Dabei ist die Gefährdung durch Naturkatastrophen in beiden Ländern vergleichbar: Etwa elf Prozent der Deutschen und der Pakistaner leben in Regionen, die Naturgefahren besonders stark ausgesetzt sind.
Hochwasser, Erdbeben, Wirbelstürme oder Dürren sind zunächst einmal Naturereignisse. Ob sie zur Katastrophe für die betroffene Region werden, hängt davon ab, wie gut ein Land auf derartige Ereignisse vorbereitet ist. Das ist die Kernaussage des Weltrisikoberichts 2013, der am Mittwoch (04.09.2013) in Bonn vorgestellt worden ist.
"Das Ausmaß der Schädigung von Menschen während einer Katastrophe hängt maßgeblich davon ab, wie es um den Gesundheitszustand der Bevölkerung steht. Und wie gut die medizinische Versorgung auch in Krisen- und Katastrophensituationen funktioniert", so Peter Mucke, Geschäftsführer des Bündnisses Entwicklung Hilft, das den Weltrisikobericht herausgibt. "Wer im Falle eines extremen Naturereignisses weiß, was zu tun ist, hat höhere Überlebenschancen", so Mucke weiter. Als Beispiel führt er den Umgang mit Seuchengefahren an, zum Beispiel Cholera: "In Regionen, in denen Infrastruktur und Hygiene ein Problem sind, muss man in Katastrophensituationen damit rechnen, dass es zu einer Choleraepidemie kommen kann. Darauf kann man sich vorbereiten." Die Folgen der mangelnden Vorbereitung kann man in Haiti beobachten. Bis zu dem Erdbeben 2010 galt das Land als Cholera-frei. Heute hat es die höchste Infektionsrate der Welt.
770 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Wasser
Dabei sei Prävention nicht teuer, rechnet Mucke vor: "Eine Schultoilette in Kenia kostet zwischen 475 und 950 Euro. In Äthiopien kostet ein Brunnen für achtzig Familien 1900 Euro." Umgerechnet koste die Versorgung einer sechsköpfigen Familie mit Brunnenwasser 24 Euro im Jahr. Doch anstatt vorzubeugen, würden die Verantwortlichen oft erst eingreifen, wenn es zu spät sei, kritisiert Mucke.
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser und vor allem zu sanitären Einrichtungen ist entscheidend für die Hygiene und damit für die Eindämmung von Krankheiten. Aber noch immer haben fast 770 Millionen Menschen weltweit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und rund 2,5 Milliarden Menschen verfügen nicht über angemessene sanitäre Einrichtungen. "Die Verrichtung der Notdurft ohne jede sanitäre Infrastruktur ist der 'worst case' sanitärer Bedingungen", sagt Thomas Kistemann vom Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn.
Eine Milliarde Menschen verrichten ihre Notdurft täglich ohne sanitäre Einrichtungen, zwei Drittel davon allein auf dem indischen Subkontinent, so Kistemann weiter. Das führe beispielsweise am Dorfrand zu "direktem Kontakt mit den Fäkalien anderer Menschen". Es bedeute "keine Möglichkeit der anschließenden Körperreinigung, keine Möglichkeit der Händehygiene, Kontamination der Umwelt, des Wassers, der Lebensmittel, aber auch der Luft“, erläutert der Mediziner und Hygieneexperte. Daher sei die Verbesserung der Wasserversorgung und der sanitären Infrastruktur "eine wichtige Herausforderung in der medizinisch-gesundheitlichen Entwicklungszusammenarbeit", so Kistemann.
Globale Solidarität gefordert
Ein weiteres Problem in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ist der Zugang zum Gesundheitswesen. "Jedes Jahr werden hundert Millionen Menschen in den Ruin getrieben, weil sie privat für die Gesundheitsversorgung für sich selbst, für ihre Kinder und Familien aufkommen müssen. Sie verschulden sich dann, nehmen Mikrokredite auf und kommen aus diesem Teufelskreis nicht mehr heraus", sagt Thomas Gebauer von der Hilfsorganisation Medico International, die zum Bündnis Entwicklung Hilft gehört.
Während der Eigenanteil an den Gesundheitskosten in Deutschland bei gut zwölf Prozent liegt, müssen die Menschen in Ländern wie Nigeria, Indien oder Bangladesch weit über die Hälfte der Kosten aus der eigenen Tasche bezahlen. "Selbst wenn der politische Wille existiert, wären viele Länder im Süden nicht in der Lage, den finanziellen Aufwand zu erbringen, um Vorsorge für die gesamte Bevölkerung zu treffen", sagt Thomas Gebauer. Daher müsse darüber nachgedacht werden, "die internationale Gesundheitsfinanzierung durch verbindliche Ausgleichsfinanzierung sicherzustellen." Mit anderen Worten, die reicheren Länder sollten Mittel bereitstellen, um ärmere Länder bei der Sicherung der Gesundheitsversorgung zu unterstützen.