Hausfrauen und Kunst
5. Juli 2015
Meine Nachbarin von gegenüber findet es ja irgendwie toll, dass ich Wäsche aufhänge, so als Mann, ganz offen im Hof. Aber auch irgendwie nicht normal. Ihr Blick ist voyeuristisch, ihre Äußerung zeigen ein Rollenverständnis, das in der modernen Gesellschaft eigentlich überholt sein sollte - eigentlich. In der Ausstellung "Desperate Housewives - Künstlerinnen räumen auf", die jetzt im Museum im Kulturspeicher Würzburg zu sehen ist, wird der Besucher immer wieder mit Rollenklischees und Rebellion konfrontiert.
Akt der Befreiung
Gleich am Eingang trifft der Besucher auf Rosemarie Trockels Inszenierung einer Haussprengung (Ohne Titel, 1999). Die einengenden Wände sind eingestürzt; die Küche, für viele immer noch das Reich der Hausfrau, ist aus den Fugen geraten. Es ist ein Bild der Zerstörung und gleichzeitig ein Werk der Befreiung, das die Künstlerin dem Betrachter vor Augen führt. Gegenüber hängen detailverliebte Fotografien der Italienerin Alba D'Urbano aus der Serie Private Property (2003-2005). Es sind Bilder, deren harmonische Kompositionen des Unpassenden faszinieren und zugleich verstören: Aufschnitt-Ensembles auf dem Schreibtisch, der PC-Bildschirm zeigt OP-Narben. Rot bestimmt die Bilddiagonale, und da ist die obszön-phallische Rinderzunge, die sich neben der Puristen-Zahnpasta Ajona unten in der Küchenanrichte streckt.
Insgesamt 28 Künstlerinnen gestatten in der "Desperate Housewives"-Schau Einblicke, die über den Stand und die Entwicklung der Hausfrauenrolle Auskunft geben. "Wir spannen einen Bogen über 30 - 40 Jahre", sagt Martina Padberg, die die Ausstellung zusammen mit ihrer Kollegin Ina Ewers-Schultz kuratiert hat. "Die Künstlerinnen haben sich auf das Wagnis eingelassen, dass ihre Werke hier in diesem Hausfrauen-Kontext stehen, und den meisten war es wichtig, dabei zu sein."
Von der Last zur Lust
"Bei den frühen Werken steht das Funktionieren, das Fremdbestimmte im Mittelpunkt der Beschäftigung mit dem Thema Haushalt und Haushaltsführung, und wir zeigen, wie sich das später verzweigt in andere Wahrnehmungen", sagt Kuratorin Padberg. Sie steht vor einer Installation, die ewig gleichmäßig die Geräuschkulisse für den ersten der beiden Ausstellungsräume besorgt. Rumpel, Rumphf, Knack, Rumpel, Rumphf. Es ist die Kissenaufschüttelmaschine der ehemaligen Beuys-Meisterschülerin Inge Mahn. "Oj lu lu, lu lu" ist die kinetische Plastik von 2006 benannt, die das immer Gleiche, immer Wiederkehrende der Hausarbeit in Szene setzt. "Das bekommt hier fast eine meditative Note", so Padberg.
Nebenan sind die Konzept-Kollektionen Jutta Burkhadts platziert, die die Hausarbeit als lustvolle Lifestyle-Angelegenheit inszenieren: trendige Kleidung aus Putzlappen, Scheuerschwämmen und Fenstertüchern. Wenn man so gewandet beiläufig über die Flächen im Haus streift, wird das lästige Putzen zur tänzerischen Performance.
Von Küchenreiben und Bettdeckenkleidern
Haushaltsführung ist eine höchst private Angelegenheit, doch die Rolle der Hausfrau gibt auch immer wieder Anlass zum politischen Diskurs. Der wird im Würzburger Kulturspeicher ausschließlich in Werken von Frauen widergespiegelt, und das hat offenbar seinen Grund: "Trotz allen gesellschaftlichen Wandels wird die Hauptarbeit im Haus noch immer von Frauen geleistet", stellt Kuratorin Ina Ewers-Schultz fest. Sie verweist auf die Doppelbelastung, die das mit sich bringt, die wachsende Zahl von Burnout-Fällen bei Frauen.
Den Besuchern wird diese bedrückende Aufgabe, die kaum zu bewältigen scheint, im zweiten Raum der Ausstellung plastisch vor Augen geführt. Dort dominiert eine aufgeklappte Küchenreibe: der "Paravent" von Mona Hatoum - Schnitzeln, Raspeln, Reiben in Erwachsenengröße.
Die Israelin Ori Levin fühlte sich durch das Thema dazu inspiriert, einfach das Verschwinden einer Frau im Haus zu zeigen. Die Argentinierin Maria Ezcurra hingegen kreierte mit "The Perfect Housewives's Wardrobe" Kleidung, die ihr Modell als Tisch- oder Bettdecke ausstaffieren und sie mit dem Haushalt verschmelzen lassen. Die Betrachter finden im Kulturspeicher Anstoß, ihre eigene Rolle auszuloten - und das durchaus auch mit Humor.
Kampf mit dem Toastbrot
Hausarbeit hat etwas mit eintöniger Wiederholung zu tun - mit dem Staub, der immer wieder kommt, und den immer wieder gleichen erforderlichen Handgriffen, um alles in Schuss zu halten. Die Künstlerinnen setzen diese Montonie auf unterschiedlichste Weise um. Da riecht es dann plötzlich intensiv nach Toastbrot, in so manchem modernen Haushalt ein Klassiker unter den Nahrungsmitteln.
Die in Berlin lebende Polin Alice Musiol hat aus diesen Toastbroten eine Art Reihenhaussiedlung aufgebaut. Sieben Scheiben, geröstet und mit Stecknadeln fixiert, ergeben ein Haus. 17 Reihen mit je 17 Häusern hat sie für die Installation "Ohne Titel V" vorbereitet. "Toast ist stark normiert, er stopft und ist hochgradig geeignet für den Siedlungsbau", erklärt sie. Auch wir seien alle genormt - Geburt, Ausbildung, Beruf, Partnerschaft - und am Ende stehe das eigene Haus als Ergebnis. "Aber das ist eben auch, wie das Toastbrot meiner Installation, alles vergänglich."
Die Ausstellung "Desperate Housewives - Künstlerinnen räumen auf" ist bis zum 20. September 2015 im Museum im Kulturspeicher Würzburg zu sehen. Die Schau wird später weiter nach Zwickau und Villingen-Schwennigen wandern.