Von Wellness und anderen "Unwörtern"
9. Oktober 2002Der Begriff "Starter-Kit" hat es wieder einmal gezeigt. Die Bezeichnung für die kleine Tüte mit der neuen europäischen Währung ist das beste Beispiel für Anglizismen in der deutschen Sprache. Und davon gibt es viele. Zu viele sagen einige Beobachter und Hüter der deutschen Sprache. Die deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat ein Thesenpapier veröffentlicht, dass ein sprachliches Dilemma aufzeigen soll: Die deutsche Sprache sei nahezu infiltriert von englischen Begriffen.
Anglizismen sind hartnäckig
Das Thema ist nicht neu. Immer wieder gab es Ermahnungen von Vereinen oder Instituten, die sich über zu viele Fremdwörter, Anglizismen oder merkwürdige Ausdrücke im Deutschen beklagen. Die Gesellschaft für deutsche Sprache prämiert sogar Sprachpatzer zum "Unwort des Jahres". Aber Anglizismen halten sich hartnäckig in der deutschen Sprache: "Jetzt hatten wir das Gefühl eine Stellungnahme beziehen zu müssen, weil das Thema auch durch politische Umstände wieder aktuell geworden ist", so Dr. Kaiser-Schuster von der Kulturstiftung der Länder in Berlin. Die Stiftung hatte zu einer Diskussionsrunde über das Phänomen "Denglisch" geladen. Dabei wiesen die Podiumsteilnehmer darauf hin, dass mit der deutschen Sprache doch alles zu erklären sei.
Beeindruckend aber inhaltsleer
Der Verein der deutschen Sprache e.V. hat eine neue lange "Anglizismenliste" im Internet veröffentlicht. Darin stehen über 4600 englische Wörter mit deutschen Übersetzungen. Alle Begriffe werden auf Tauglichkeit für den deutschen Sprachgebrauch überprüft. Demnach sind Wörter wie "shop, slow motion, ticket" nicht akzeptabel. Grund: Sie erschweren die Verständigung unnötig und sind inhaltsleer. Besonders Modewörter werden oft in der Werbung verwendet und gaukeln angebliche Effektivität vor. Wirklich sagen aber tun sie nichts, so Peter Ambros, Vorstandsmitglied des Vereins im Interview mit DW-WORLD.
14.000 Mitglieder zählt der Verein. Damit ist sie die größte private Institution in Deutschland, die sich gegen Anglizismen wendet und sich für den Stellenwert der deutschen Sprache einsetzt. "Wir sind gegen den Mischmach und den Kauderwelsch in der deutschen Sprache und stehen damit auf einer Linie mit Organisationen wie z.B. der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung", so Ambros. Der gebürtige Österreicher will sich damit nicht falsch verstanden wissen: "Wir sind nicht gegen die Erlernung und Nutzung von anderen Sprachen, sondern für einen bewussteren Gebrauch der deutschen Sprache." Es gehe auch niemals um einen einzelnen englischen Ausdruck, "sondern eher um die massive Nutzung von englischen Begriffen, die einfach bedenkenlos übernommen werden." Das Deutsche verschwinde immer mehr in Europa, so seien beispielsweise andere Fremdsprachen wie Englisch oder Französische in den Brüsseler EU-Gremien wichtiger geworden.
Der "Operator" heißt jetzt "Mitarbeiter"
Dass Klagen erfolgreich sein können, hat ein Protestschreiben an die Deutsche Telekom gezeigt. Die hat nach massiven Aufforderungen ihren Spruch in der Auskunft für Telefonnummern ersetzt. Jetzt heißt es: "Wir verbinden sie mit dem nächsten freien Mitarbeiter." Früher hieß der Mitarbeiter noch "Operator". Aber nicht jedes englische Wort ist ein Unwort: Ausdrücke wie "Laser, Jeans, Computer, dopen, surfen, Team, Stress und Internet" seien akzeptabel, "obwohl der Computer eigentlich Rechner heißen sollte, den selbst Computerexperten lieber benutzen", so der Wiener Ambros. Sein Verein will sich selbst auch nicht als Plattform für Sprachexperten verstehen, sondern dem Volk aufs Maul schauen: "Wir sind eine Bürgerbewegung und keine Akademiker, bei uns geht es halt etwas volkstümlicher zu." Viele werfen dem Verein daher auch eine "rechte Gesinnung" vor: für das Deutsche und gegen alles Fremde zu sein. Doch Peter Ambros will sich unter keinen Umständen in einer rechten nationalsozialistischen Ecke verorten lassen, betonte er gegenüber DW-WORLD.
Wellness - von erfundenen englischen Wörtern
Der Kampf gegen Anglizismen und für die Sprachpflege werde wohl ein Dauerthema bleiben. Aber tröstlich sei es, meint Ambros nicht ohne Humor, dass selbst englischsprachige Menschen über den Sprachgebrauch ihres Wortschatzes verdutzt sind. Das zur Zeit beliebte Wort "Wellness" gebe es nämlich nicht im Englischen.