Entsteht Europas größter Immobilienkonzern?
25. Mai 2021Vonovia startet einen neuen Anlauf für die Übernahme von Deutsche Wohnen. Durch den Zusammenschluss der beiden größten deutschen Immobilienkonzerne würde Europas größter Wohnungskonzern entstehen, dem allein hierzulande rund eine halbe Million Wohnungen gehören, insgesamt wären es rund 560.000. "Wir werden unsere Größe nutzen, um unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden", sagte Vonovia-Chef Rolf Buch am Dienstag. Um die Deutsche Wohnen zu schlucken, will Vonovia rund 18 Milliarden Euro auf den Tisch legen.
Liest man die Presseverlautbarung der beiden im Deutsche Aktienindex notierten Unternehmen, handelt es sich quasi um eine Sozialmaßnahme für bezahlbares Wohnen und Klimaschutz in einem. So werben beide Firmen etwa damit, der Politik "konkrete Lösungsansätze für den angespannten Mietmarkt in der Bundeshauptstadt" anzubieten. Der "Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen" sieht für Wohnungen in Berlin Mietpreiserhöhungen von höchstens einem Prozent in den kommenden drei Jahren vor.
20.000 Wohnungen für die Stadt Berlin
In den zwei darauf folgenden Jahren sollen höhere Mieten auf den Inflationsausgleich begrenzt sein. Gleichzeitig sollen Belastungen für Mieterinnen und Mieter durch energetische Wohnungsmodernisierungen gering ausfallen. Über die gesetzlichen Vorgaben hinaus soll sich die Modernisierungsumlage auf zwei Euro pro Quadratmeter begrenzen. Zudem wollen beide Konzerne rund 20.000 Wohnungen an die Stadt Berlin verkaufen.
Der Vonovia-Vorsitzende erklärte, durch die begrenzten Mieterhöhungen komme es quasi auf privatrechtliche Initiative hin zu einer Deckelung der Mieten. Hintergrund: Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte versucht, mit einem Mietendeckel die Preissteigerungen auf dem überhitzten Wohnungsmarkt zu bremsen. Den Mietendeckel hat allerdings kürzlich das Bundesverfassungsgericht kassiert. Das habe die Einigung mit Deutsche Wohnen erleichtert, sagte Buch.
Dritter Anlauf
2015 hatte Vonovia bereits den zweiten Versuch gestartet, die Deutsche Wohnen zu übernehmen. Auch diese feindliche Übernahme scheiterte aber vor ziemlich genau fünf Jahren. Seinerzeit hatte Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn seine Aktionäre noch vor dem "wertvernichtenden" Zusammenschluss gewarnt. Inzwischen hat sich der Wind offenbar gedreht: "Das Marktumfeld ist für Vonovia und Deutsche Wohnen in den vergangenen Jahren immer ähnlicher geworden. Jetzt ist der richtige Moment, die erwiesene Leistungsfähigkeit und Stärken beider Unternehmen zu vereinen", sagte Zahn am Dienstag.
Wirtschaftlich versprechen sich beide Börsenkonzerne durch die Heirat Einsparungen in Höhe von 105 Millionen Euro. Immerhin schließen sie nach den Plänen betriebsbedingte Kündigungen bis 2023 aus.
Der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD) begrüßte den geplanten Zusammenschluss. Die Zusage nur begrenzter Mieterhöhungen und das Angebot des Verkaufs der 20.000 Wohnungen an Berlin seien von "herausragender Bedeutung".
Mieterbund wittert Tricksereien
Der Deutsche Mieterbund sieht ebenfalls die Bedeutung der geplanten Fusion. Nur freuen wollen sich die Mieterschützer nicht. Denn die Begrenzung von Mieterhöhungen in den kommenden fünf Jahren seien Selbstverständlichkeiten, die den Dax-Konzernen kaum etwas abverlangten. "Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass beide Unternehmen aufgrund der zuletzt sehr starken Proteste gegen ihre Geschäftspraktiken die verbale Flucht nach vorne antreten", so Mieterbundpräsident Lukas Siebenkotten.
"Auch, dass nur von der Begrenzung der Berliner Bestandsmieten die Rede ist, spricht dafür, dass hier vor allem der Versuch unternommen wird, der erfolgversprechenden Berliner Vergesellschaftungsinitative den Wind aus den Segeln zu nehmen." Der Mieterbund wirft beiden Konzernen vor, Gewinne nicht durch Mieterhöhungen im Bestand, sondern vor allem bei Neuverträgen zu machen. Nach einer Sanierung würden so Wohnungen ohne Begrenzung nach oben an die zahlungskräftige Kundschaft in den Großstadtgebieten vermietet. Bezahlbarer Wohnraum werde dadurch Mangelware.
Kommt das nächste Volksbegehren?
Auch der Top-Ökonom und Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung sieht einen mögliche Zusammenschluss kritisch: "Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Die Fusion muss in der Tat noch Bundeskartellamt geprüft werden. In einer ersten Runde 2015 allerdings hatten die Wettbewerbshüter keine Einwände gezeigt. Allerdings würde der Marktanteil am gesamten deutschen Mietwohnungsmarkt gerade mal zwei Prozent betragen. Eine marktbeherrschende Stellung des neuen Riesen ist insofern nicht zu befürchten.
Die Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" schreibt sich die Fusionsankündigung kurzerhand auf die eigenen Fahnen. "Der Druck unserer Kampagne wirkt", sagte deren Sprecher Rouzbeh Taheri. Das Volksbegehren hat nach eigenen Angaben bereits über 100.000 Unterschriften gesammelt. Taheri ist optimistisch, dass das Volksbegehren erfolgreich verläuft.
Die Bewohner Berlins würden "diesen Deal als Mogelpackung entlarven" und bei einem Volksentscheid für eine Enteignung stimmen - egal, welche Namen die Konzerne bis dahin hätten. Die Initiative muss in einer viermonatigen Frist bis Ende Juni mindestens 175.000 gültige Unterschriften für ihr Anliegen sammeln. Einen möglichen Volksentscheid wollen die Aktivisten dann zusammen mit den Wahlen zu Bundestag und Berliner Abgeordnetenhaus am 26. September durchführen.