Vor 50 Jahren: Abba gewinnt mit "Waterloo" den ESC
6. April 2024Die Buchmacher hatten eigentlich auf die die britisch-australische Sängerin Olivia Newton-John gesetzt. Sie war schon damals ein Star und eindeutige Favoritin.
Auch der Sängerin Gigliola Cinquetti, die schon 1964 für Italien den Pokal geholt hatte, wurden gute Chancen eingeräumt. Aber Schweden? Noch nie hatte das Land diesen Wettbewerb gewonnen. Und niemand glaubte, dass sich das ändern würde. Die Band Abba war außerhalb ihres Heimatlands unbekannt. Im Jahr zuvor hatte sie mit "Ring Ring" schon mal einen Anlauf auf die ESC-Krone gestartet, war aber im Vorentscheid gescheitert. 1974 klappte es dann; beim "Melodifestivalen", wie der schwedische Vorentscheid heißt, setzte sich das Quartett mit "Waterloo" durch und durfte als Repräsentant für Schweden nach England reisen. Der Rest ist Musikgeschichte.
Napoleons Waterloo als Liebeslied
32 Länder sind bei der Veranstaltung zugeschaltet, die damals noch Grand Prix Eurovision de la Chanson heißt. Als Abbas Auftritt als achter von insgesamt 17 an diesem Abend angekündigt wird, betritt ein als Napoleon verkleideter Mann die Bühne, sein Name: Sven-Olof Walldoff. Er wird den Song dirigieren, der Abba weltberühmt machen wird: "Waterloo". Ihm folgen - nicht in historischer Kostümierung, sondern in Glitzerklamotten, Samthosen und schwindelerregend hohen Plateauschuhen - Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Agnetha Fältskog und Anni-Frid Lyngstad.
Geschrieben hat ihren Song der Manager der Band, Stikkan "Stig" Anderson. Er summte ihn Björn und Benny am Telefon vor, sie komponierten in abgeschiedener Natur auf der Insel Viggsö die Musik dazu. Es geht um die Liebe - sich zu ergeben wie der französische Feldherr einst in der Schlacht von Waterloo. Neben diesem Song hielt die Band auch den Titel "Hasta mañana" für einen aussichtsreichen ESC-Beitrag, doch Manger Stig hielt dagegen: "Überlasst einfach mir die Entscheidung, welchen Song wir nehmen", soll er zu Benny und Björn gesagt haben, "sollte es schief gehen, könnt ihr mich ja anschließend umbringen." Es kam zu keinem Mord, im Gegenteil: Abba gewinnt den Wettbewerb mit 24 Punkten vor Italien mit 18 Punkten.
120 Pfund auf den Sieg gesetzt
Für Manager Anderson war der Sieg nicht das wichtigste Ziel. Er wollte Abba vor rund 500 Millionen Fernsehzuschauern präsentieren - und danach viele Platten verkaufen. Trotzdem war er hoffnungsvoll und setzte 120 Pfund auf den Sieg.
Nicht länger als zwei Minuten und 45 Sekunden dauert der Song, nach 90 Minuten stehen Abba als Sieger des Grand Prix fest. Doch die Siegerehrung verzögert sich, weil ein Ordner Björn Ulvaeus nicht auf die Bühne lassen will: Er kann nicht glauben, dass der Mann in dem seltsamen Glitzer-Outfit ein Teilnehmer des Wettbewerbs ist. Für den Schweden im Nachhinein verständlich: "Noch nie ist jemand so hässlich und schlecht angezogen auf die Bühne gekommen wie wir", gibt er später zu.
Waterloo stürmt die Charts
Unmittelbar nach dem Grand Prix Eurovision de la Chanson in Brighton wird Waterloo als Single in 54 Ländern der Welt veröffentlicht und gelangt in nahezu 20 davon in die Top Ten der Charts. In Deutschland und Großbritannien landen Abba mit "Waterloo" den ersten Nummer Eins-Hit von vielen, die noch folgen sollten. Der Song wurde in Schwedisch, Englisch, Deutsch und Französisch aufgenommen und mausert sich zum Megaseller. Über fünf Millionen Mal geht die Single über den Ladentisch. 2004 erreicht das Lied bei seiner Wiederveröffentlichung zum 30. Jubiläum erneut Platz 20 der britischen Charts. Am 22. Oktober 2005 wird "Waterloo" beim 50. ESC zum "Besten Lied in der Geschichte des Wettbewerbs" gekürt.
Abba forever - auch virtuell
Anfangs habe man die Schweden für ein One-Hit-Wonder gehalten, dessen Ruhm bald verblassen würde, erzählt Benny Anderson später. So kann man sich täuschen. In den folgenden Jahren verkauften Abba 400 Millionen Platten, landeten 17 Nummer-eins-Hits - darunter "The Winner Takes It All", "Dancing Queen", "Thank You For The Music" und "Gimme, Gimme, Gimme" - und produzierten das Musical "Mamma Mia", das seit über 20 Jahren erfolgreich aufgeführt wird. Dass sich die Gruppe 1982 auflöste, tat ihrem Erfolg keinen Abbruch. Jahrzehntelang hofften die Fans auf ein Comeback, 2021 war es soweit. Die Schweden kehrten mit dem Album "Voyage" und einer virtuellen Konzertshow zurück - als "Abbatare". Und natürlich steht auch "Waterloo" wieder auf dem Programm.