Meistermaler Lucas Cranach der Jüngere wird gefeiert
4. Oktober 2015Wittenberg, Geburtsort der Reformation und Hauptwirkungsort des Reformators Martin Luther. 2017 wird die Stadt wegen des 500. Jahrestages dieses epochalen Ereignisses im Mittelpunkt weltweiten Interesses stehen. Schon in diesem Jahr läuft sich die knapp 50.000 Einwohner zählende Stadt gewissermaßen warm für dieses Ereignis – mit dem vermutlich größten Kunstereignis des Jahres in Deutschland. 2015 feiert die Lutherstadt ihren berühmtesten Sohn und nennt sich in diesem Jahr selbstbewusst Cranach City. Nicht nur Martin Luther, auch die Cranachs haben Wittenberg weltberühmt gemacht. Beide, Vater und Sohn, gehören schon damals zu den berühmtesten Malern der deutschen Renaissance.
Maler der Reformation
Es ist die Zeit des ausgehenden Mittelalters und der Beginn der Neuzeit. Die Cranachs malen die Reformation. Ihre Porträts von Martin Luther prägen bis heute unser Bild vom Kirchenerneuerer. Zunächst war es Lucas Cranach der Ältere, den alle kannten und bewunderten. Nach 500 Jahren wird nun Lucas Cranach der Jüngere aus dessen Schatten geholt. "In gewisser Weise war es immer sein Pech, dass er denselben Namen hat, wie sein berühmter Vater", so Stefan Rhein, Direktor der Luthergedenkstätten in Sachsen Anhalt und Verantwortlicher der Cranach Schau. Cranach der Jüngere wurde am 4. Oktober 1515 in Wittenberg geboren.
Markenname Cranach
Lange galt der Name Cranach als Synonym für die eine Marke Cranach. Über 5000 Werke sind in der Cranach Werkstatt entstanden. Vater, Sohn oder Werkstatt - was Kunsthistoriker Händescheidung nennen ist bei den Cranachwerken besonders kniffelig. Viele Bilder konnten erst vor kurzem und Dank modernster Untersuchungsmethoden neu zu geordnet werden. Umso glücklicher sind die Ausstellungsmacher, die weltweit erste Werkschau des jüngeren Cranach präsentieren zu können. In Wittenberg werden gleich in vier Ausstellungen Exponate und Leihgaben aus aller Welt gezeigt. Drei davon starteten am 26. Juni und werden bis zum 1. November zu sehen sein.
Der Übervater
Lucas Cranach führte bereits eine florierende Malwerkstatt in der Residenzstadt Wittenberg, als 1515 sein gleichnamiger Sohn geboren wird. Der Vater ist Hofmaler für Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen, einem der mächtigsten Fürsten im damaligen Heiligen Römischen Reich. Für den kunstsinnigen Dienstherren gestaltet er Kirchen und Schlösser mit Gemälden aus. Daneben ist er erfolgreicher Geschäftsmann. Der lukrative Handel mit Druckgrafiken, eine Apotheke und eine Weinhandlung machen den Ratsherrn und späteren Bürgermeister zum reichsten Bürger der Stadt.
Der Sohn Lucas wächst im besten Haus am Platz auf, Schlossstraße 1. Hier treffen sich die Ratsoberen und Universitätsprofessoren, Fürsten und Könige sind zu Besuch. Cranachs Malwerkstatt ist eine der produktivsten in ganz Europa. Er ist enger Freund und Trauzeuge Martin Luthers. Sohn Lucas lernt in der Werkstatt des Vaters, wird bald seine rechte Hand. 1550 übernimmt er die Werkstatt. Er führt die Geschäfte des Vaters weiter, als der seinem Fürsten später nach Weimar folgt. Er setzt vor allem dessen zentrales Werk fort, die Bildnisse der Reformation.
Die Cranach Werkstatt
Bis zu 36 Lehrlinge sind in der Cranachwerkstatt beschäftigt. Gemälde und Druckgrafiken werden wie am Fließband produziert und zu Geld gemacht. Lucas der Jüngere wächst in diesen Betrieb hinein. Er hat Talent, er lernt neben der Maltechnik, die Werkstatt zu führen und Handel zu treiben. Dabei haben die Cranachs einen völlig neuen Markt erschlossen, das Bürgertum. Gemalt wird schnell, mit Schablonen und im Format von vorgefertigten Rahmen. Wer sich keine Ölbilder leisten kann kauft die günstigeren Druckgrafiken.Die wurden seriell hergestellt. Es zählte Effektivität. So hatte Lucas d. J. von den Mitgliedern der Fürstenfamilie Tuscheskizzen angefertigt. Nach diesen Vorbildern konnte er deren Physiognomie in die unterschiedlichsten Sujets malen. 13 solcher Tuscheporträts sind dieses Jahr in Wittenberg zum ersten Mal in Europa in einer Ausstellung zu sehen. Allein für diese Tuschestudien lohne sich ein Besuch der Ausstellung in Wittenberg, so der Verantwortlicher der Cranach Schau, Stefan Rhein.
Neue Zeiten
Als Martin Luther am 31 Oktober 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche nagelt, ist der kleine Lucas Cranach gerade zwei Jahre alt und ganz Europa rein katholisch. Er wird Zeuge, Teilhaber und Akteur einer sich grundlegend verändernden Welt. Die Reformation wandelt nicht nur die Kirche, sondern viele gesellschaftliche Bereiche, auch die Kunst und die Auffassung vom Bild. "Während in der katholischen Kirche das Bild des Göttlichen und des Heiligen als verehrungswürdig angesehen wurde, war die Stellung der Reformatoren zu den Bildern weitaus kritischer. Sie sprachen ihnen nur einen didaktischen und keinen kultischen Zweck zu", schreibt Stefan Rhein in seiner Biographie über Lucas Cranach den Jüngeren. Und so beginnt sich die Welt im Umfeld der Cranachs in eine katholische und eine evangelische aufzuteilen.
Propaganda in Öl und Druck
Beim Geschäft haben die Cranachs nie Rücksicht auf die Konfession genommen, sie hatten evangelische wie katholische Auftraggeber. Allerdings war der Protestantismus noch jung und der jüngere Cranach malte quasi die Propaganda für den neuen Glauben fort. Bilder der Reformatoren waren weiterhin gefragt. Anders als sein Vater, der nur Einzelporträts erstellte, brachte der Sohn die Reformatoren als Jünger Jesus oder menschliche Familie in Gruppenbildnissen zusammen. So wie auf einem der wohl berühmtesten Bilder des jungen Cranach überhaupt, dem Altarbild in der Wittenberger Stadtkirche. Es ist das Schlüsselbild des Protestantismus. Hinzu kommen die Illustrationen der Lutherbibel, der ersten in deutscher Sprache mit Breitenwirkung.