Putin greift wieder zur Keule
4. September 2013Unmittelbar vor dem G20-Gipfel in St. Petersburg hat Russland den Ton im Streit mit den USA über die Syrien-Krise verschärft. Präsident Wladimir Putin warf US-Außenminister John Kerry am Mittwoch vor, den Kongress in Washington über die Rolle der Al-Kaida im Bürgerkrieg belogen zu haben. "Er lügt, und er weiß, dass er lügt", sagte Putin in Moskau. Zuvor hatte Putin noch grundsätzlich Kompromissbereitschaft signalisiert, indem er im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung zu einem Militärschlag nicht ausschloss, insofern es Beweise für die Verantwortung der syrischen Regierung gebe.
Am Donnerstag kommen in St. Petersburg die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zusammen. Erwartet wird, dass das eigentlich von Wirtschaftsthemen dominierte Treffen von der Syrien-Krise überlagert wird. Die US-Regierung ist entschlossen, Syrien notfalls auch ohne UN-Mandat anzugreifen. Putin warnte vor einem solchen Vorgehen und erklärte, dies käme einem Akt der Aggression gleich. Die syrische Regierung weist den Vorwurf zurück, Giftgas eingesetzt zu haben.
"Sie lügen natürlich wunderschön"
Putin verwies auf Kerrys Aussage zur Rolle der Al-Kaida im Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad. Der Minister habe auf Anfrage eines Abgeordneten erklärt, die Al-Kaida sei nicht beteiligt. "Sie lügen natürlich wunderschön", sagte Putin. Die Kämpfer der Al-Kaida seien militärisch gesehen die wichtigste Säule des Aufstandes. Das wüssten auch die Amerikaner. Zuvor hatte Putin in einem Interview erklärt, Russland könne einem militärischen Einsatz mit UN-Mandat zustimmen, sollten Beweise für einen Giftgas-Angriff der syrischen Regierung vorliegen. Allerdings betonte er seine Zweifel, dass hinter dem mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatz Ende am 21. August mit vermutlich mehr als 1400 Toten die Assad-Regierung stehe.
Auch das russische Außenministerium trug seinen Teil zu der Propandaschlacht bei: Es warnte nämlich vor Gefahren durch einen Atomreaktor nahe Damaskus. Wenn eine Rakete absichtlich oder versehentlich den Meiler treffe, hätte dies katastrophale Folgen, erklärte das Ministerium. Die Umgebung könnte mit hoch angereichertem Uran verseucht werden und radioaktive Stoffe könnten nach einem solchen Beschuss nicht gesichert werden. Auch wurde davor gewarnt, dass das Material in unbefugte Hände geraten und für den Bau von Waffen verwendet werden könnte.
Ausschuss gibt Obama 60 Tage Zeit
Russland hat im UN-Sicherheitsrat ein Veto-Recht und schützt damit seine Verbündeten in Damaskus vor Resolutionen. Putin wies darauf hin, dass auch die Rebellen als Verantwortliche für den Angriff infrage kämen. Diese Haltung wurde durch einen vom russischen Außenministerium verbreiteten Expertenbericht gestützt, nach dem wahrscheinlich die Rebellen für einen Giftgaseinsatz im März in Aleppo verantwortlich seien. Eine dabei benutzte selbst hergestellte Waffe sei baugleich mit Waffen, wie sie die Rebellen herstellten, erklärte das Ministerium in Moskau.
Obama hatte am Samstag einen Militärschlag überraschend vertagt und will nun erst den US-Kongress abstimmen lassen, obwohl er als Präsident einen begrenzten Einsatz anordnen könnte. Der Ausschuss für Auswärtige Beziehungen des US-Senats stimmte am Mittwochnachmittag (Ortszeit) mit knapper Mehrheit für einen begrenzten Militärschlag in Syrien. Der von Republikanern und Obamas Demokraten gemeinsam erarbeitete Senatsentwurf sieht vor, den Einsatz auf zunächst 60 Tage mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere 30 Tage zu begrenzen. Außerdem wird die Entsendung von US-Kampftruppen nach Syrien ausdrücklich verboten. Zehn Senatoren stellten sich hinter den Entwurf, sieben waren dagegen.
Mehrheit in den USA gegen Angriff
Die Abstimmungen von Senat und Repräsentantenhaus werden frühestens für die kommende Woche erwartet. Obama benötigt für ein Eingreifen nicht die Zustimmung des Kongresses. In Umfragen spricht sich allerdings eine Mehrheit der US-Bevölkerung gegen einen Angriff aus. Auch deshalb will sich Obama durch den Kongress absichern.
Die USA haben zahlreiche Kriegschiffe in der Region, die einen Angriff mit Marschflugkörpern ausführen könnten. Auch Russland verstärkt seine Flotte im Mittelmeer: Die amtliche Nachrichtenagentur Interfax meldete, der Raketenkreuzer "Moskva" sei ins östliche Mittelmeer unterwegs und werde dort in zehn Tagen ankommen. Ein Zerstörer und eine Fregatte sollten dazustoßen.
sti/SC (afp, dpa, rtr)