"Vorbeugende Medizin gegen Konflikte"
20. August 2005
Dass ein Papst mit Vertretern muslimischer Verbände spricht, ist nichts Neues. Auf Bitten der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) empfängt Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag am Samstagabend (20.8.) zehn Vertreter muslimischer Gemeinschaften - darunter den Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, Nadeem Elyas.
Das interreligiöse Gespräch müsse über Höflichkeitsgesten hinaus kommen, sagte Elyas im Vorfeld des Treffens. Seiner Einschätzung nach hat der Vatikan in den muslimischen Staaten das Ansehen, um solche Gremien anregen zu können. Gleichzeitig kritisierte er die Zusammensetzung der muslimischen Delegation: Zwar sei der Zentralrat vertreten, nicht aber der Islamrat und die deutschen Muslime. Von den zehn Repräsentanten gehören sieben der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB) an, die stark vom türkischen Staat beeinflusst wird, so Elyas.
Das Zweite Vatikanische Konzil war der Anfang
Schon in der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils "Nostra Aetate" (Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen) heißt es: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime." Da es aber "im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam", ermahnte die Heilige Synode 1965 alle, "das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen."
Papst Johannes Paul II. hatte während seines Pontifikats mehr als ein Dutzend islamisch geprägte Länder besucht und zahlreiche muslimische Geistliche getroffen. Doch so spektakulär wie das interreligiöse Friedensgebet in Assisi 1986 und der erste öffentliche Moscheebesuch eines Papstes 2001 in Damaskus wird das Treffen von Benedikt XVI. und Muslimen in Köln nicht werden.
Unterschiede benennen
Während nach dem 11. September 2001 viele das Gespräch mit dem Islam für gescheitert erklärten, stand für den vatikanischen Dialog-Rat fest: Angesichts von Terrorismus und wachsender Radikalisierung sei die Verständigung mit gemäßigten Islam-Vertretern wichtiger denn je. Religionsführer dürften sich niemals von politischen Interessen manipulieren lassen, so der Präsident des Rates, Erzbischof Michael Fitzgerald, im Jahr 2004. Das Gespräch zwischen den Religionen könne eine "vorbeugende Medizin" gegen bewaffnete Konflikte sein.
Zum Dialog gehören aber auch Forderungen und klares Benennen von Unterschieden. So verschweigen die deutschen Bischöfe in einer Schrift über "Christen und Muslime in Deutschland" (2003) nicht ihre Sorgen über verschiedene islamische Lehren. Die Stellung der Frau sowie die traditionelle Lehre vom "Dschihad" als "Krieg um des Glaubens willen" und der Umgang mit Menschenrechten in islamischen Ländern stünden nicht in Einklang mit christlichen Vorstellungen und rechtsstaatlichen Regelungen.
Familienrecht
Auch von der "Sorge um die Religionsfreiheit der Christen in islamischen Ländern" sprechen die Bischöfe. Ein Richtlinienpapier des Päpstlichen Migrantenrates (2004) zählt familienrechtliche Konsequenzen der Religions-Unterschiede auf: Zur Ehe zwischen Katholiken und Muslimen heißt es, dass "nach den 'bitteren Erfahrungen' der Vergangenheit" vor einer solchen Ehe eine "besonders genaue und vertiefte Vorbereitung" erfolgen. Dabei sollten die "großen kulturellen und religiösen Unterschiede" bewusst gemacht werden. In jedem Fall bedarf es einer kirchenrechtlichen Sondergenehmigung.
Miteinander reden
Seit 1987 ist die Zahl der Muslime in Deutschland von etwas über anderthalb Millionen auf mehr als drei Millionen angestiegen. Für die Kirche steht fest: Das grundgesetzlich verbriefte Recht auf freie Religionsausübung muss auch für islamische Bürger gelten. Sie haben das Recht, meinen die Bischöfe, in Deutschland für ihren Glauben zu werben. Und sie haben ein Recht auf Religionsunterricht.
Vor allem aber geht darum, sich über die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens im religiös neutralen Staat zu verständigen. Schließlich seien Muslime nicht Gäste, sondern meist dauerhafte Mitbürger, so die Bischöfe. Konkret: Um Kopftuchverbot, verpflichtende Deutschkurse für Migranten oder regulären islamischen Religionsunterricht wird in Politik, Kirche und nicht zuletzt vor den Gerichten weiter gerungen. (arn)