Vorbild für Argentinien?
15. Januar 2002Menschenmassen schieben sich in die Moskauer Wechselstuben. Es kommt zu tumultartigen Szenen. Denn alle wollen das Gleiche, ihre Rubelersparnisse in harte Dollar umtauschen. Jede Minute zählt in diesen Tagen. Sechs Rubel sechzig sind ein US-Dollar. Dann kostet er plötzlich 11 Rubel. Und der freie Fall der russischen Währung geht weiter. Ende 98 müssen die Russen schließlich 27 Rubel für einen US Dollar bezahlen. Die russische Regierung hat ihre Währung auf internationalen Finanzmärkten freigegeben. Tausende Menschen verlieren ihre Ersparnisse. Banken und Staat sind zahlungsunfähig. Russland stellt nach dem sogenannten default, der Krise sofort den Schuldendienst ein. Keiner kriegt also vorerst Geld von Russland zurück.
Das Positive: Teile der russischen Wirtschaft kommen gerade durch die Finanzkrise wieder auf die Beine. Importe werden zu teuer, deshalb sind etwa einheimische Medikamente plötzlich wieder gefragt. Investitionen in Russland bleiben aber nach der Augustkrise 98 vorerst noch die Ausnahme. Es herrscht Angst vor einem neuen Crash. Wer kann schafft auch weiterhin Geld aus dem Land. Das nimmt erst etwas ab, als Präsident Jelzin einen neuen Regierungschef einsetzt. Der erfahrene Diplomat Jewgenij Primakow gewinnt das Vertrauen vieler Russen. Sein Rezept: Die Notenpresse stoppen und keine Neuverschuldung. Der steigende Erdölpreis macht es möglich.
Erst nach Jelzins Rücktritt wird das Land merklich stabiler. Der neue Mann Wladimir Putin boxt Reformen durch. Als Präsident verbessert er zum Beispiel mit der Bodenreform das Klima für Anleger enorm. In Russland ein Stück Land kaufen zu dürfen ist ein Quantensprung. Doch noch immer stören Bürokratie und Korruption jedes Geschäft sehr. Der Reformprozess muss also weiter vorangetrieben werden. Nur so kann Russland neue Investoren gewinnen. Erst wenn das in großem Rahmen passiert, kann die russische Wirtschaft wirklich durchatmen und muss nicht mehr auf den Erdölpreis schielen.